Im Jänner endet die Amtszeit des amerikanischen Notenbankchefs Ben Bernanke - und US-Präsident Barack Obama steht vor einer schwierigen Personalentscheidung.
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Irgendwann im heurigen Sommer wird US-Präsident Barack Obama damit anfangen müssen, über eine der großen Entscheidungen seiner Präsidentschaft nachzudenken, nämlich über eine mögliche Wiederernennung Ben Bernankes zum Chef der Federal Reserve, der US-Notenbank, denn Bernankes Amtszeit endet im Jänner. Komplizierter wird diese Entscheidung dadurch, dass US-Finanz-Zar Lawrence Summers ein Gegenkandidat ist.
Bernanke hat sich als einer der wenigen Helden der Finanzkrise erwiesen und viel Lob für seinen innovativen Führungsstil eingeheimst. Er wirkt freundlich und reserviert, aber im Ringen mit dem Finanzdebakel zeigte er sich als wahrer Tiger. Die Fed wirkt unter ihm so viel kraftvoller als früher - wie ausgewechselt.
Letzte Woche habe ich Bernanke zu einem Interview getroffen, um ihn zu fragen, was er aus all dem gelernt hat. Ich war bei ihm zum Lunch eingeladen und er zeigte sich wie immer sehr besonnen und sehr zurückhaltend, sogar als er mir vom seinem harten Kampf erzählte, die größte Finanzkrise seit einem halben Jahrhundert in den Griff zu bekommen.
Was hat Bernanke aus den letzten beiden chaotischen Jahren gelernt, welchen Rat könnte er seinem Nachfolger geben? Seine Antwort auf meine Frage war überraschend: Trotz all des computerisierten Financial Engineerings vor dem Absturz vergleicht Bernanke die gegenwärtige Finanzkrise mit einer klassischen Banken-Panik des 19. Jahrhunderts. Die Investoren gingen dabei jeweils davon aus, dass ihr Geld so sicher angelegt sei wie in einem Bankdepot. Stellte sich die Anlage dann doch als viel riskanter als erwartet heraus, gerieten sie in Panik.
"Was wir erlebt haben, waren Varianten klassischer Panikreaktionen", sagte Bernanke über die turbulenten Ereignisse 2007 und 2008, als Märkte, die als sicher galten, plötzlich unter dem Ansturm erschrockener Investoren, die ihr Geld zurückwollten, kollabierten.
Der Fed-Chef empfiehlt in diesem Zusammenhang die Untersuchungen des Yale-Ökonomen Gary Gorton, der die Ähnlichkeiten der heutigen Krise mit den Krisen des späten 19. Jahrhunderts analysiert hat. In seiner letzten Arbeit - "Slapped in the Face by the Invisible Hand" - zeigt Gorton, dass die früheren Krisen typischerweise auf dem Höhepunkt der Wirtschaftsentwicklung einsetzten und zwar dann, wenn neue Informationen die Anleger dazu brachten, ihr Geld zurückzuziehen.
Fast 75 Jahre lang waren diese Bankenkrisen verschwunden. 2007 kehrte die Panik dann mit unglaublicher Wucht zurück, als man an der Wall Street plötzlich das Vertrauen in manche Finanzprodukte verlor. Als Fed-Chef musste sich Bernanke daraufhin mächtig abstrampeln, um immer neue Wege zu finden, das Geld und das Vertrauen in die Märkte zurückzupumpen. Wenn eine Taktik versagte, probierte er schnell eine andere aus. Die nächste Aufgabe wird nun sein, die Trümmer wegzuräumen. Das beinhaltet auch all die Sonderkonstruktionen, die zur Eindämmung der Krise geschaffen wurden.
Obama wird sich wohl für einen Fed-Chef entscheiden, der die Wirtschaft davon überzeugen kann, dass er imstande ist, mit der Inflation fertig zu werden - ohne Rücksicht auf kurzfristige Schmerzen oder das Aufheulen von Politikern. Obama braucht jemand, der ganz schnell den Rückwärtsgang einlegen und sehr überzeugend nein sagen kann.
Könnte das der ruhige, radikale Bernanke sein? Oder der eher unverblümte, so wirtschaftstalentierte Ex-Finanzminister Summers? Oder ein Überraschungskandidat? Für Bernanke spricht das Argument, dass man ein erfolgreiches Team nicht austauschen sollte.
Übersetzung: Redaktion