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Der Feind der Fische

Von Sabine Karrer

Politik

Katamarane, Kraftwerke und Co lassen Flussbewohnern wenig Chancen.


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Wien. "Wenn der Twin City Liner kommt, müssen wir rasch ausweichen. Der ist schnell", spricht der Ranger des Nationalparks Donau-Auen - und schon kommt der große Katamaran, der seit 2006 den Weg zwischen Wien und Bratislava kürzer gemacht hat, um die Kurve.

Die zusammengewürfelte Mannschaft im Schlauchboot rudert heftig. Der Kapitän des Twin City Liners winkt freundlich, der Ranger winkt zurück. Gefahr für Leib und Leben besteht wohl nicht, aber in der ansonsten ungewohnt ruhig wirkenden Donau wirft sich im nun hin und her schaukelnden Boot doch eine Frage auf: Wirkt sich der Wellenschlag dieses Schnellbootes nicht auf die Umwelt aus? Ja, das tut er, antwortet der Ranger. Konkret auf den Fischlaich, aber auch auf andere Arten, meinen Umweltschützer und Fischer.

Sandbänke als Kinderstube der Flussfische

"Das Problem gibt es seit Aufkommen der Dampfschifffahrt", sagt Nationalpark-Direktor Carl Manzano. Der Twin City Liner sei zwar nicht die Ursache dafür, aber er habe das durch seine Wellen im oberen Bereich und durch die hohe Frequenz verschärft. Gerade in den flach überströmten Kies- und Sandbänken, der "Kinderstube" für Flussfische, aber auch allgemein für die Fauna am Ufer sei der Wellenschlag schädlich, erklärt Carl Manzano. Eier und Larven zum Beispiel werden entweder an Land gespült und vertrocknen dort. Oder sie werden ins tiefere Wasser mitgerissen und gefressen.

Nationalpark dem Ganzen schutzlos ausgeliefert

Auch etwa bei den mehr als 80 verschiedenen Arten von Laufkäfern, die im Nationalpark vorkommen, sei zu beobachten, dass es in den geschützten Bereichen wie Altarmen viel mehr davon gibt als direkt an der Donau. Fischereiverbände und -vertreter haben sich hier in den letzten Jahren besonders engagiert und weisen immer wieder auf die Auswirkungen des Wellenschlags hin, so Manzano: "Die Fischer sitzen ja am Donauufer und erleben das hautnah."

Er sagt aber auch, dass der Twin City Liner, "ein Bootstyp, der sonst auf der Donau nicht vorkommt", nur einer dieser Faktoren ist. "Man kann am Fluss nicht schnell und gleichzeitig umweltfreundlich fahren", betont er. Fakt sei aber, dass das hochsensible Gebiet des Nationalparks diesen Wirkungen ziemlich schutzlos ausgeliefert ist.

Einer, der sich seit Jahren gegen den Twin City Liner starkmacht, ist Helmut Belanyecz. Der Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF), selbst seit mehr als 60 Jahren Fischer, beobachtet das "Artensterben, das zwischen Wien und Hainburg vor unseren Augen passiert" schon lange. Er würde sich Tragflügelboote an Stelle von Katamaranen wünschen, da diese kürzere, kleinere Wellen schlagen und damit weniger Schäden anrichten, sagt er.

Wellenschläge von zwei Metern beobachtet

Am Donaukanal, von wo aus der Schnellkatamaran Richtung Bratislava startet, hätten Fischer sogar schon Wellenschläge von zwei Meter Höhe beobachtet, sagt Belanyecz. Revitalisierungspläne für den Donaukanal, "den ersten intakten Laichfluss", scheinen durch die Entwicklung obsolet: "Aber von selbst schafft die Natur das nicht mehr."

Ronald Schrems, Geschäftsführer des Twin-City-Liner-Betreibers Central Danube Region, wehrt sich gegen solche Vorwürfe. Bereits im Vorfeld des Projekts habe man die vom Twin City Liner verursachten Wellen von in- und ausländischen Institutionen untersuchen und danach aktuell messen lassen. Das hätte gezeigt, dass diese sowohl auf der Donau als auch im Donaukanal geringer sind als die der "Verdrängerschiffe", also Personen- und Cargoschiffe, so Schrems.

"Auf einem internationalen Wasserweg fahren Schiffe"

Er gibt auch zu bedenken, dass die Tragflügelboote von slowakischen und ungarischen Gesellschaften genauso schnell fahren wie der Twin City Liner, allerdings "bei wesentlich höherem Treibstoffverbrauch und größerer Lärmentwicklung". Eine Reduktion der Geschwindigkeit würde seiner Ansicht die Welle am Ufer vergrößern, "weil das Schiff von der Gleitfahrt in die Verdrängerfahrt übergeht". Es müsse auch klar sein, dass auf einem internationalen Wasserweg Schiffe fahren. Und sollte die Schifffahrt zu ökologischen Problemen führen, betreffe dies alle Schiffe und Betreiber.

Für Martin Genser vom Verband der Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Verbände (VÖAFV) ist der Fischbestand in der Donau aus mehreren Gründen massiv rückläufig. Neben dem Wellenschlag durch die sogenannte "weiße Schifffahrt", die Passagierschifffahrt, würden sich auch Stauraumspülungen bei Kraftwerken negativ auf den Fischbestand auswirken. Das treffe auch ebenso auf die fehlenden oder nicht funktionierenden Fisch-Aufstiegshilfen zu. Dazu kommen laut dem Experten noch weitgehend unerforschte Chemie-Cocktails, wie etwa Hormonrückstände, die bei Kläranlagen in das Gewässer rückgeführt werden. Auch fehlende Laichhabitate, die stetige Erwärmung der Gewässer und die harten Uferverbauungen wie Steinschlichtungen seien fatal für den Fisch-Nachwuchs.

Allerdings sei klar, dass Wien als Großstadt ständig in Bewegung ist und weiterwächst, und dass entlang der Donau als Wasserstraße auch die Güterschifffahrt weiter ausgebaut werden soll. Wichtig sei es, die nicht-fischende Bevölkerung für diese Themen zu sensibilisieren. Und daran arbeiten die rund 7000 Fischer des VÖAFV unermüdlich, so Genser.