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Der Feind im EU-Bett

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Auf Jean-Claude Juncker könnte ein Problem zukommen, das in seiner politischen Dimension noch gar nicht richtig erfasst werden kann. Und für Österreich das Gegenteil von lustig ist. Ungarns Regierungschef Viktor Orban erteilte in einer Rede am Wochenende den "westlichen, liberalen Werten" eine klare Absage. Russland, China, Singapur und die Türkei seien dagegen - sinngemäß - vorbildhaft. Warum seine Partei Fidesz weiterhin Mitglied in der Europäischen Volkspartei ist, die genau für diese Werte eintritt, weiß niemand. Vielleicht tritt Fidesz aber auch aus.

Das ist aber nicht das Hauptproblem. Orban erteilte den grundsätzlichen Werten der Europäischen Union eine Absage - Ungarn ist allerdings EU-Mitglied. Schon im Vorjahr gab es europaweites Stirnrunzeln, als er Verfassungsänderungen durchsetzte, die einer freien, demokratischen Gesellschaft Hohn sprechen. Es gab kleinere Änderungen, die EU tat daraufhin so, als ob nix passiert wäre.

Damit ist es allerdings nun vorbei. Wenn die EU deutlich gegen Russland vorgeht, stellt sich die Frage, wie sie wohl mit Ungarn umgeht, wenn das Land Orbans nationalistische Vorgaben weiterhin umsetzt. Die EU-Kommission ist die Hüterin der Verträge, wie es so schön heißt. Das Europäische Parlament ist per definitionem eine über-nationale Institution.

"Die liberale Demokratie ist am Ende", verkündete demgegenüber Orban knapp, aber deutlich. Wenn Ungarn diesem Postulat folgt, und dafür spricht sehr viel, hat die EU ein großes Problem. Es gibt keine EU-Regeln darüber, wie mit Mitgliedsländern zu verfahren ist, die EU-Grundrechte permanent brechen. Orban weiß das, er pflanzt die europäischen Institutionen seit zwei Jahren.

Wenn Ungarn - angesichts der jüngsten Rede - aus der EU aus- und der Eurasischen Union Russlands beiträte, würde es freilich für Österreich bitter. Heimische Banken und Industrien sind dort Großinvestoren. Es wird sehr viel davon abhängen, wie die ungarische Bevölkerung auf die künftige politische Entwicklung reagieren wird. Bisher eher passiv - ein Wesenzug, der sie mit der österreichischen verbindet.

Das ist alles weit in die Zukunft gedacht. Juncker wird sich zuerst überlegen müssen, wie er Ungarn wieder vom Gegenteil überzeugen kann. Österreich kann dabei mithelfen - muss es auch.