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Die Archäologie profitiert von sandigem Untergrund und fürchtet ihn zugleich.
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Wien. Auf Sand ist schlecht Häuser bauen. Diesen Tipp gibt die Bibel den Architekten aller Zeiten, und wer glaubt, klüger zu sein, baut den Turm von Pisa. Immerhin, einige Zeit ist er ohnedies ganz senkrecht gestanden.
Die Konstrukteure der ägyptischen Pyramiden dachten indessen "na und", ließen die damals ohnedies noch ungeschriebene
Bibel Bibel sein, fragten bei Isis und Osiris nach, und die meinten wohl, es käme nur darauf an, wie das Fundament gebaut sei, und wenn man sie nicht auf rieselnden Sand baue, sondern auf Sandstein, wäre es ein zusätzlicher Vorteil. So stehen die Pyramiden heute noch. Mitten im Sand der Wüste haben die Archäologen den Nabel ihrer Welt.
Doch der Sand ist auch der Feind der Archäologen. Denn Sand schmirgelt. Nicht umsonst war er bis tief in die Neuzeit das ideale Material, um Flächen zu glätten. Es ist kein Zufall, wenn das Schmirgelpapier früher auch Sandpapier genannt wurde. Wind und Sand brauchen sich nicht einmal zum Sandsturm zu verbinden, es genügt völlig der Jahrtausende dauernde Effekt vom Sand, den der Wind sanft gegen das Mauerwerk weht. Halten die Pyramiden aufgrund ihrer Masse und der abgeschrägten Wände weitestgehend stand, steht es schon anders um den Sphinx oder um Inschriften auf Außenmauern.
Lästig sein kann Sand obendrein bei Ausgrabungen, denn Sand rutscht nach. Doch da kann schon ein simples Befeuchten Abhilfe schaffen. Um allfällig gefundene Objekte aus ihrem Sandbett zu holen, bedarf es dann freilich nicht mehr der Schaufel, sondern der Spachtel, und am Objekt selbst kommt nur noch ein Pinsel in Frage, um es von den Sandablagerungen zu befreien.
In vielen anderen Fällen ist der Sand indessen der Freund der Archäologen, speziell bei der zunehmend betriebenen Luftbildarchäologie: Flugzeuge überfliegen das Gebiet, auf dem eine unter der Oberfläche verborgene Fundstätte vermutet wird, dabei werden Fotos aufgenommen. Auf ihnen zeichnen sich künstliche Strukturen deutlich ab - und das umso klarer, je sandiger der Boden ist. Denn im rutschigen und nachgiebigen Sand sind feste Stein-Strukturen deutlich zu erkennen. Speziell in den Dünen der dänischen Halbinsel Jütland hat das in der letzten Zeit zur Entdeckung eisenzeitlicher Bauwerke geführt. Dabei geht es nicht darum, im nächsten Schritt die Bauwerke freizulegen. Der Boden konserviert sie nämlich gut. Die Archäologen tragen die Strukturen auf Karten ein und unternehmen in Sonderfällen punktuelle Grabungen, die sie nach Beendigung der Forschung wieder zuschütten.
Auf dem Meeresboden
Sand kann, freilich umgebungsabhängig, ein vergleichsweise guter Konservator sein. Im trockenen Sand heißer Gegenden kann der Archäologe gar sogenannte Sandmumien finden. In Ägypten beispielsweise wurden vor rund 5000 Jahren die Toten in eine ovale Grube in den Wüstensand gelegt. Es ist möglich, dass diese Bestattungsform der Ausgangspunkt war für die nach und nach verfeinerte Mumifizierung verstorbener ägyptischer Würdenträger. Ziemlich sicher blieb sie die Begräbnisform für jene, die sich eine Mumifizierung nicht leisten konnten.
Sand existiert nicht allein auf den Kontinenten, er bedeckt auch den Meeresboden - zum Glück für die Unterwasserarchäologen. Israelischen Wissenschaftern beispielsweise gelang 2016 vor der Küste Israels nahe der Stadt Caesarea ein Sensationsfund: Aus dem Sand am Meeresboden bargen sie tausende Münzen und mehrere Bronzestatuen, offenbar die Fracht eines vor rund 1600 Jahren gesunkenen Handelsschiffs aus spätrömischer Zeit. Die Artefakte waren vom Sand gut konserviert worden.
Eine ganz andere und bedeutende Rolle spielt Sand in der österreichischen Archäologie - Sand nämlich ist der Name einer um 930 erbauten befestigten Anlage an der Thaya nahe Raabs, die der Wiener Mittelalter-Archäologe Kurt Bors 1992 entdeckt hat. Bedarf es nur des kleinen Schritts eines Wortspiels von der Burg Sand zu den Sandburgen der Kinder am Strand? - Dort, wo am Ende gar, tief unter dem Sand, Artefakte aus längst vergangener Zeit auf ihre Entdeckung warten.