Selbstverständlich wird ein Rüpel wie Wiktor Janukowitsch die Spiele in seinem Sandkasten als Auszeichnung feiern lassen.
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Im Prinzip ist es ja recht anständig von den österreichischen Kapazundern, lauthals zu verkünden, sie würden sich nicht auf der VIP-Tribüne der Fußballarena von Kiew einfinden und so dem Fürsten der dortigen Finsternis, Wiktor Janukowitsch, die Ehre verweigern. Allerdings lachhaft, sie waren ja gar nicht eingeladen, die Patzer der heimischen Kicker in der EM-Qualifikation verpatzten ihnen schon im Voraus die Show. Aber es ist wenigstens ein verbales Bekenntnis.
Die österreichischen TV-Konsumenten könnten da schon mehr tun: Einfach wegschauen, wenn europäische Rasenstars um die Trophäe des Kontinents hinter dem Ball herwieseln. Das würde den Veranstaltern schon mehr wehtun als das lautstarke Getue heimischer Politiker. Es würde vielleicht sogar helfen, den Gestank der Korruption aus dem Ballgeschehen zu verdrängen. Es würde nämlich die Einschaltquoten senken. Schlimmeres könnte den Organisatoren kaum passieren.
Im Fußball geht es längst nicht mehr bloß um volle Stadien wie beim Freistilringen. TV-Sender machen über das Massenpublikum die Werbemillionen. Geht die Quote zurück, sinken die Einnahmen der Sender. Damit gehen zwangsläufig die Milliarden der Fußballverbände für die Ausstrahlungsrechte zurück. Folglich würden gewisse Delegierte der Verbände nicht so ohne weiteres die Fußball-WM in einem Wüstenscheichtum stattfinden lassen, bloß weil Herr Scheich besser schmiert. Sie würden es sich auch zweimal überlegen, die Europameisterschaft einem Land anzuvertrauen, in dem nach Willkür eines Rüpels judiziert wird. "Da schalten die Leute nicht ein", würden die Bestechlichen vor ihrem Votum bedenken müssen. "Und wenn die nicht einschalten, werden die Fernsehstationen kaum Millionen auslassen", werden die anderen warnen.
So mächtig ist das Schwergewicht Volk. Und ganz unter uns: Fürs Erste könnten die TV-Konsumenten sich die Spiele ja sogar ansehen. Sie dürften es bei der Quotenerhebung nur nicht zugeben. Sie hängen es ja auch nicht an die große Glocke, wenn sie schon einmal einen Pornofilm gesehen haben. Das Leid etlicher Hundertschaften zu lindern, die den Fängen Janukowitschs ausgeliefert sind, müsste ihnen die kleine Lüge doch wert sein. Sie würde über kurz oder lang die Werbefritzen verunsichern und über lang oder sehr lang positiv wirken.
Zugegeben, auf panem et circensem bestand das Volk immer schon. Doch falls Fußball neben anderem als Ersatz für öffentliche Hinrichtungen die Massen erheitern soll - noch am 30. Mai 1868 drängten bei der Spinnerin am Kreuz die Massen unterm Galgen des 23-jährigen Raubmörders Georg Ratkay so sehr, dass die Zuschauertribüne brach -, wenn also das Volk ohne Fußball nicht glücklich sein kann, könnte es wenigstens von seiner Macht als Publikum in dem Sinn Gebrauch machen, der verhindert, dass heutige Schlächter durch Platzieren von Spielen auf ihren Wiesen nicht geehrt und salonfähig gemacht werden. Daher kann die richtige Antwort bei der TV-Quotenerhebung nur lauten: "Ich habe nicht zugeschaut." Richtig muss ja nicht unbedingt wahr sein.