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Junge Mädchen finden Situation der Frauen in Ordnung. | Jugendforscher ortet Desinteresse an ideologischen Fragen. | Wien. "Den armen Mann kann man doch nicht im Haushalt mitarbeiten lassen. Erstens ist er zu blöd, um Haushaltsgeräte zu bedienen - er wirft sicher einen roten Socken in die weiße Wäsche. Und zweitens wird der Arme Stress in der Arbeit bekommen, wenn er doppelt belastet ist." Nein, dieses Zitat stammt nicht aus einem Ratgeber für die perfekte Hausfrau anno 1950. Diese Worte bekam eine Grazer HTL-Lehrerin zu lesen, als sie jüngst ihre 17-jährigen Schüler einen Aufsatz zum Thema "Halbe/Halbe" schreiben ließ. Und der Text kam nicht von einem Burschen.
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Die Lehrerin verstand die Welt nicht mehr - und die Schülerinnen fühlten sich von ihr missverstanden. In einer anderen Schulklasse wiederum wollten die Mädchen nicht glauben, dass es tatsächlich Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern geben soll - im privaten Sektor liegen diese laut einer Studie aus 2010 bei mehr als 23 Prozent.
Just wenige Tage vor dem 100. Geburtstag des Frauentags scheint es so, als wären viele Jugendliche - namentlich die jungen Frauen - der Überzeugung, dass für die Frauenrechte nichts mehr getan werden müsse. "Den jungen Frauen heute geht es ohnehin gut, es ist alles wunderbar", bekommt die Lehrerin von 18-Jährigen zu hören.
Unterschiede zwischen Bildungsgruppen
Laut Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung trügt der Schein nicht: "Der Feminismus der 1970er und 80er Jahre ist heute ein Minderheitenprogramm", erklärt er. Das liege vor allem am generellen Desinteresse an solchen Grundsatzfragen. "Die Ideologie als Grundlage eines umfassenden Weltbilds gibt es nicht mehr." Allerdings ließen sich sehr wohl Unterschiede zwischen den einzelnen Bildungsgruppen festmachen: Jugendliche aus bildungsfernen Schichten seien weniger progressiv als zum Beispiel Studenten. Die eigene Geschichte - auch in den gutbürgerlichen Wiener Haushalten besteht oft ein traditionelles Rollenbild - spiele dabei weniger eine Rolle, als "die in den einzelnen Milieus vorherrschenden Werthaltungen".
Über Ernsthaftigkeit lässt sich spekulieren
Eine moderne Einstellung gehört also in manchen Kreisen zum guten Ton - über die Ernsthaftigkeit dieser Haltung ließe sich aber spekulieren, meint Ikrath. Das zeigt zum Beispiel die Inanspruchnahme der Väterkarenz: Ende 2010 waren österreichweit gerade einmal 4,5 Prozent der Kindergeld-Bezieher männlich.
Apropos Kindererziehung: Das kann sich der 19-jährige David so gar nicht vorstellen. Er findet zwar, dass Männer schon ab und zu aufräumen oder auch kochen sollten. Mit Kindern, Wäsche waschen oder gar Bügeln will der Lehrling aber nichts zu tun haben. Auch er ist der Meinung, dass Frauen den Männern heutzutage ebenbürtig seien: "Sie dürfen alles machen, auch in die Politik dürfen sie gehen."
Die 16-jährige Eva findet es ebenfalls "okay, so wie es jetzt ist - man kann schon zufrieden sein". Die Modeschülerin weiß aber auch, was sie will: "Ich möchte auf jeden Fall arbeiten gehen, der Mann sollte mindestens genausoviel im Haushalt mitarbeiten wie ich selbst." Frauenquoten in Unternehmen seien aber nicht nötig, befindet die Schülerin: "Niemand sollte bevorzugt werden," erklärt sie der "Wiener Zeitung".
"Wofür habenwir gekämpft?"
Genau diese Einstellung hat auch Jugendforscher Ikrath beobachtet. Junge Frauen seien oft der Meinung, dass ihnen die Politik ohnehin nicht helfen könne - und dass sie es durch die eigene Leistung schon in höhere Etagen schaffen würden. "Dieser Illusion können sich Anfang-20-Jährige noch hingeben, aber spätestens, wenn sie das erste Kind bekommen haben, müssen sie feststellen, dass sie an die gläserne Decke stoßen", sagt er.
Für die Grazer HTL-Lehrerin ist das ein schwacher Trost. "Wofür haben wir gekämpft?", fragt sie sich wütend.
Wissen: 100 Jahre Frauentag
Die Idee, einen internationalen Tag für die Rechte der Frauen zu initiieren, stammt aus den USA. Dort forderten die Frauen der Sozialistischen Partei schon 1908 einen Kampftag für das Frauenstimmrecht. Diese Idee griff die deutsche Sozialistin Clara Zetkin auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen auf.
Ein Jahr später, am 19. März 1911 beging man dann den ersten Frauentag im Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, der Schweiz und Dänemark. Erst 1921 wurde auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau der 8. März als internationaler Frauentag festgelegt.
Anlässlich des 100. Jahrestags des ersten Frauentags finden zahlreiche Veranstaltungen statt. Weil der 8. März aber heuer der Faschingsdienstag ist, findet das meiste schon im Vorfeld statt.
Morgen, Donnerstag, 3. März, präsentieren Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Wirtschaftsministerium die ersten Absolventinnen des Führungskräfteprogramms "Zukunft.Frauen". Präsentiert wird auch eine Datenbank für bestehende und potenzielle Aufsichtsrätinnen.
Ebenfalls am Donnerstag wird im Museum für Volkskunde (Laudongasse 15-19, 1080 Wien) die Ausstellung "Feste.Kämpfe - 100 Jahre Frauentag" eröffnet. Sie dauert bis 30. Juni.
Der 100. Internationale Frauentag wird auch im Parlament groß gefeiert. Am 4. März ab 13 Uhr präsentieren sich über 25 Frauenorganisationen mit Info-Tischen in der Säulenhalle. Die Begrüßung übernehmen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek.
Am Montag, 7. März, lädt die Universität Wien ab 16 Uhr zu einer Festveranstaltung ins Albert-Schweitzer-Haus (Garnisongasse 14-16, 1090 Wien). Thema wird unter anderem sein "Die Arbeitsbedingungen von Frauen an Universitäten". Dazu wird Birgit Riegraf, Soziologin an der Universität Paderborn referieren.
Erst für den 19. März ruft die "Plattform 20.000 Frauen" zu einem Marsch auf der Wiener Ringstraße auf. Dieses Datum wurde gewählt, weil am 19. März 1911 in Wien die erste große Demonstration für die Rechte von Frauen stattfand. Die Aktion wird von den ÖGB-Frauen unterstützt.