Für die EU-Kommission ist klar: Damit der gemeinsame Haushalt nicht explodiert, braucht es eine Agrarreform. Von 92,5 Mrd. Euro flossen im Vorjahr 43,7 Mrd. Euro (47,2%) in die Förderung der Landwirtschaft. Die Tendenz ist steigend. Die Vorschläge von EU-Kommissar Franz Fischler wollen diese Ausgaben zumindest im Status Quo einfrieren, innerhalb des Agrarbereiches jedoch umschichten. Die Ökologisierung soll Vorrang bekommen. Exportsubventionen und Lagerkosten für Überschüsse würden sich automatisch reduzieren.
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Die Lebensmittellager der EU sind voll. Mit viel Geld wird die Lagerung der überschüssigen Landwirtschaftsprodukte subventioniert: Im Jahr 2000 vertilgte die sachgemäße Verwahrung der Getreide-, Fleisch- und Butterberge knapp eine Milliarde Euro.
Die Statistik zeigt, dass im März 2002 rund 164.000 t Rinderkörper (gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs um 40.000 t), 61.000t entbeintes Rind, 105.000 t Butter und sieben Mill. t Getreide, davon 4,8 Mill. t Roggen gehortet wurden. Die Exportförderungen belaufen sich pro Jahr auf fünf Mrd. Euro, diese Zahl stammt aus dem EU-Rechungshofbericht vom November 2001. Dem Bericht ist ferner zu entnehmen, dass "einige Mitgliedstaaten die vorgeschriebenen Prüfungen nicht durchgeführt" haben. Und sofern es die entsprechenden Kontrollen gab, "wurden schwerwiegende Mängel und Unregelmäßigkeiten aufgedeckt", 188 Mill. Euro mussten berichtigt werden. Bei 100 Mill. Euro ist sogar erwiesen, dass sie in dunklen Kanälen versickert sind.
Tierschutz verbessern
Ebenso unbefriedigend ist die Situation bei Tiertransporten. Kreuz und quer wird das lebende Vieh unter erbärmlichen Bedingungen durch Europa gekarrt. Geht es nach Fischlers Willen, so soll mit der Gewährung von Zuschüssen für den Transport von Rindern oder Schweinen bald Schluss sein: Nur noch im genehmigungspflichtigen Ausnahmefall sowie bei Einhaltung der Tierschutzauflagen wird es Geld aus Brüssel geben.
"Der Nutztierschutz bekommt im Fischler-Plan starkes Gewicht", bestätigt Franz Sinabell, Agrarexperte des Wifo. Auslöser für diese Kommissionsüberlegungen waren sowohl die BSE-Krise als auch die Maul- und Klauenseuche. Beide hatten das Vertrauen der Verbraucher in die Landwirtschaft massiv erschüttert.
Parallel dazu wird von Fischler die Lebensmittelsicherheit gemäß dem EU-Weißbuch in den Vordergrund gerückt. Die Betriebe sollen jährlich einer strengen Überprüfung unterzogen werden. Ein Zertifikate-System soll nachvollziehbar sicherstellen, woher die Produkte stammen. Für Sinabell ist dies "eine deutliche Stärkung der Konsumenteninteressen und der eigentliche Richtungswechsel bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln". Wesentlicher Punkt der Reform ist die geplante Abschaffung der diversen Marktordnungsprämien, die sich an der Anbaufläche oder der Viehzahl orientieren.
Derzeit lautet die Förderstrategie: Je mehr ein Bauer produziert, umso höher die Subventionen. In Zukunft soll die Menge keine Rolle mehr spielen. Ein Betrieb darf mit maximal 300.000 Euro rechnen. Fischler beschwichtigt die Kritiker. Denn sind mehr als zwei Personen am Hof beschäftigt, so gibt es für jede weitere Arbeitskraft einen Freibetrag von 3.000 Euro. Laut Berechnungen des EU-Kommissars könnten dadurch arbeitsintensive Produktionsgenossenschaften mit beispielsweise 165 Mitarbeitern 800.00 Euro Förderung einstreifen.
Was bei Prämien gespart wird, soll in die Ökologisierung der Landwirtschaft fließen. Die Reform, so Sinabell, sei ein Nullsummenspiel, denn es komme zu keinerlei Kürzungen des Agrarbudgets. Innerhalb des Sektors werde aber massiv zugunsten der Umwelt- und Landschaftsförderungen umgeschichtet. Der erwünschte Effekt: Produktion für den Markt, Überschüsse und Lagerkosten sollten sich erübrigen.