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Der Fiskus geht auf Hausbesuch

Von Cathren Müller und Petra Medek

Wirtschaft
"Sie haben ein Hörgerät, das könnten Sie auch geltend machen": Teamleiterin Jukl berät Heimbewohner. Foto: Newald

Finanzbeamtin ist mit ihrem mobilen Beratungsteam unterwegs. | Service soll den Parteienverkehr in den Ämtern reduzieren helfen. | Wien. Während sich viele Amtsträger den Kopf über bürgernahe Verwaltung und die Verbesserung der Abgabemoral zerbrechen, zeigt eine Finanzbeamtin in Wien, wie es gehen kann. Silvia Jukl, seit fünf Jahren Teamleiterin im Finanzamt für den 2., 20., 21., und 22. Bezirk, ist immer wieder mit einem mobilen Beraterteam von rund vier Beamten unterwegs. "Der Hauptgedanke ist, ein gutes Service zu bieten. Wir möchten keine bestimmten Gruppen ansprechen, sondern möglichst viele Leute erreichen. Wir waren schon in Firmen, in Pensionistenheimen, Schulen, Fabriken und in Moscheen", erzählt Jukl.


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Dass Letzteres für Aufsehen, ja sogar für eine parlamentarische Anfrage des BZÖ gesorgt hat, kann Jukl nicht ganz nachvollziehen. "Wir wenden uns an alle, die Moscheen haben dieses Angebot eben angenommen." In der Anfrage an das Finanzministerium wollte das BZÖ 2008 unter anderem wissen, welche konkreten Vorteile man sich von den Besuchen in Moscheen erwartet.

Besuche in Moscheen abgeblasen

Für Silvia Jukl liegen diese auf der Hand: Ihr geht es darum, das Finanzamt unter die Leute zu bringen. "Ich muss zugeben, dass wir zuerst nervös waren, weil wir nicht wussten, was uns erwartet. Dort war es dann aber ganz einfach, weil die Leute unser Angebot sehr gut angenommen haben und dankbar waren."

Einen wesentlichen Vorteil sieht Jukl auch für die Finanzbeamten selbst: "Mir ging es bei den Besuchen in Moscheen auch um meine Mitarbeiter. Unser Amt hat schließlich den größten Ausländeranteil Wiens, und mitunter gestaltet sich der Umgang miteinander schwierig. Da war es mir wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass wir guten Willens sind und auf die Leute zugehen. Es geht ja nur in kleinen Schritten."

In Zusammenarbeit mit der MA 17 waren Jukl und ihr Team insgesamt mehr als zehnmal in verschiedenen Moscheen zur Beratung zu Gast, immer begleitet von einem Dolmetscher der MA 17 und ausgerüstet mit türkischen Steuerformularen und türkischen Steuerhandbüchern. Seit rund zwei Jahren gab es keine weiteren Besuche in Moscheen mehr, weil die MA 17 die Besuche dort nur als Pilotprojekt gesehen hat und "es nie daran gedacht war, daraus eine Dauereinrichtung werden zu lassen", wie das Magistrat mitteilt.

Langweilig wird Jukl deshalb nicht - etwa in Pensionistenheimen ist ihr Team sehr gefragt. "Sie haben doch ein Hörgerät, das könnten Sie auch geltend machen", raten die Beamten mitunter. Da kann es schon vorkommen, dass das Gegenüber nur lächelt, das angesprochene Hörgerät lauter stellt und fragt: "Wie bitte?"

Die Bewohner des Pensionistenheimes sind sichtlich froh über den Besuch: "Also die Damen sind wirklich sehr nett." Auch wenn viele damit rechnen können, Geld zurückzubekommen, ist das Finanzamt hier immer noch "das Amt": "Das Vertrauen zu uns könnte noch größer sein, aber es wird immer besser," meint Jukl.

Auch Firmenchefs bietet die Wienerin einen Besuch ihres Teams an - jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Einige lehnen gleich ab, bei anderen, etwa einem großen Autobauer, nehmen die Mitarbeiter das Angebot dann kaum in Anspruch.

Oft und gerne besucht das mobile Team dagegen Schulen. "Da sind die Steuerzahler von morgen." An der HTL Donaustadt etwa trug Jukl im Fach "Wirtschaft und Recht" vor.

Die Schüler seien mitunter überrascht, "dass wir doch ganz modern aussehen, die haben wohl mit ein paar alten grauen Tanten gerechnet". Die Finanzbeamten hätten die Jugendlichen jedenfalls motivieren können, ihren Eltern die Online-Arbeitnehmerveranlagung schmackhaft zu machen.

Die Entlastung der Ämter liegt Jukl besonders am Herzen - dies war auch eine Motivation, die Hausbesuche zu starten. Seit 2006 gibt es das mobile Finanzamt, wie es vom Volksmund getauft wurde. "Es heißt eigentlich Infocenter zum Bürger, aber damit kann wohl niemand was anfangen", meint Jukl. Das mobile Team ist eine Weiterentwicklung des Infocenters, dem Jukl seit fünf Jahren vorsteht. 2006 stand die Zusammenlegung der Bezirksfinanzämter noch bevor. Es war absehbar, dass die verbleibenden Infocenter zu klein für die Kundenströme sein würden: "Wenn Sie an einem Montagnachmittag zu uns kommen, dann sind in unserer Halle mit den Beratungsschaltern fast 500 Leute."

Die Beamtin im 35. Dienstjahr sieht aber auch die Schattenseiten: "Es ist interessant und schön, unterwegs zu sein, aber wie überall, wo es menschelt, ist die psychische Belastung sehr hoch. Es gibt Kunden, die werden wütend und beschimpfen uns, wir müssen aber freundlich bleiben. Das Problem haben Sie mit einem stummen Akt nicht."

Inzwischen gehen alle Finanzämter in Wien mit mobilen Services "hinaus". Während die meisten ihre mobilen Ämter in den Bezirksamtsstuben aufbauen, sucht nur das Team um Jukl den ganz direkten Kundenkontakt vor Ort. Warum andere ihrem Modell nicht folgen, will Jukl nicht kommentieren. "Aber irgendwann wird es mehr werden müssen", hofft sie.

Das Image des Amtes ändern

Hinauszugehen ist für die Wienerin eine willkommene Abwechslung und mildert den Druck: "Wir werden ja meistens sehr freundlich empfangen, und die Leute sind dankbar, wenn sie merken, sie werden gut beraten und bekommen außerdem noch Geld zurück." Die mobilen Termine nimmt das Team von Jukl meistens am Freitagnachmittag nach Schalterschluss wahr: "Dann gehen wir niemandem ab, es ist quasi unsere Fleißaufgabe."

Sie ist überzeugt, dass durch die mobilen Termine langsam, aber sicher mehr Menschen dazu bewegt werden können, überhaupt eine Veranlagung zu machen und dass sich auch das Bild vom Amt dadurch ändern wird: "Wir können die Leute dazu bringen, irgendwann einmal anders über das Finanzamt zu denken."