Ungeachtet der latenten sozialen Schieflage Österreichs bekennt sich der zuständige Ressortminister zum periodischen "gar nichts" tun.
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Kürzlich wurde hier moniert, ganze Politikergenerationen hätten verabsäumt, Sozialleistungen durch Steuereinnahmen gegenzufinanzieren. Was die Großverdiener betrifft, hat dies sicherlich seine Berechtigung, nicht jedoch beim Umgang des Fiskus mit der auf misera gehaltenen Plebs. Dazu einige Beispiele:
Nehmen wir die Jungvermählten. Gleich beim Anmieten der neuen Wohnung wird die Miete "vergebührt". Damit sich die Vergebührung lohnt, gelten Betriebskosten und sogar die Mehrwertsteuer auf beides als Teil der Miete. Nach Makler, Kaution und Möblierung tun die paarhundert Euro arg weh. Ist die Vorschreibung einer Mehrwertsteuer auf Wohnen an sich schon zu kritisieren, ist eine Zwangsabgabe auf die Mehrwertsteuer geradezu degoutant.
Richtig, ihr Zuständigen für das Soziale, der Mehrwertsteuerstaz für Wohnen ist vergünstigt. Doch stehen die 10 statt 20 Prozent Umsatzsteuer allenfalls für das schlechte Gewissen der öffentlichen Hand. Nur eine gänzliche Befreiung der Miete würde zum Grundrecht auf Wohnen - in etlichen EU-Staaten per Verfassung garantiert - passen.
Und falls es unser junges Paar unter diesen Voraussetzungen je zur Anzahlung für eine Eigentumswohnung bringt, schlägt die öffentliche Hand erst richtig zu. An Steuern und Gebühren stellt sie 5,8 Prozent fällig - also fast doppelt so viel als die angeblich so windigen Makler.
Spätestens jetzt werden die Nachhelfer des Herrn Sozialministers protestieren und auf die Wohnbauförderung verweisen. Und tatsächlich: In ihren Genuss kommt, wer eifrig Formulare ausfüllt, mehrmals beim Land vorstellig wird und Schwiegereltern hat, die die Haftung übernehmen. Denn am Ende der Prozedur gibt es nicht etwa ein Geldgeschenk sondern ein relativ bescheidenes zinsbegünstigtes Zusatzdarlehen.
Selbstverständlich wäre es klüger und sozial gerechter, den Erstankauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses stattdessen von den Abgaben zu befreien. Doch was sollen die Landesbeamten machen, wenn nicht die Formulare prüfen?
Noch ein Beispiel für den Ideenreichtum der Inkassotruppe gegen die Wenigerbetuchten: In deren Kreisen soll es ja vorkommen, dass die Väter beim Hausbau der Kinder anpacken. Falls es ohne Wissen der Krankenkasse geschieht, läuft dies auf Abgabenhinterziehung hinaus. So droht einer Häuslbauerin aus Urfahr eine Forderung der GKK über 6200 Euro, weil Papa mithalf - unbezahlt natürlich. Wie die Krankenkasse auf 6200,- Euro Gebühren kam? Ganz einfach, sie bestimmte den Gegenwert der Arbeit und berechnete danach ihre Beute.
"Ich tue manchmal 10 Minuten lang gar nichts", beteuerte unlängst Sozialminister Hundstorfer treuherzig. Für den gelernten Gemeindebediensteten des Magistrats Wien keine rekordverdächtige Leistung, die aber doch garantiert, dass er Kanzler, Koalition und Parlament lästige Reformvorhaben und nervige Anfragen erspart - wie seinerzeit seinem Gewerkschaftspräsi Verzetnitsch, als sich eine Milliardenhaftung via Bawag-Pleite in Luft auflöste ("ich wusste nicht, was ich da unterschrieb").
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.