Vergeben, vergessen und Schwamm drüber. Wer hätte jemals gedacht, dass einem gerade das Finanzamt mit einem solchen Angebot daherkommt. Der 1. April ist vorbei und es ist auch kein Jux aus dem Ö3- | Wecker. Die Sache ist durchaus ernst. Um den Bürgern die Abschaffung der Sparbuchanonymität schmackhaft zu machen, hat man ein paar tröstende Begleitmaßnahmen formuliert. Eine davon: die | Steueramnestie mit dem Verjährungstrick.
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Zunächst einige beruhigende Hinweise für (zu Recht) Misstrauische. Das derzeit im Parlament vorliegende Regierungspapier sieht einerseits eine bis Ende Juni 2002 geltende Schenkungssteuerfreiheit
für Sparbücher und Bankguthaben vor und andererseits eine absolute Steuernachsicht für alle bewussten oder unbewussten Steuersünden, die die Jahre 1992 und davor betreffen.
Stichtag 2. Juni 2000
Erreicht wird die Steuernachsicht durch Festsetzung einer absoluten Verjährung, durch eine Steueramnestie, die ab 2. Juni 2000 in Kraft tritt. Dabei geht es nicht bloß um die Steuern, die auf die
bisher verheimlichten Erträge und Einkommen entfallen wären, sondern auch um das Zustandekommen dieser Erträge, also um die dunklen Quellen der Steuersünder, kurz: um die Herkunft und um Erträgnisse
etwaiger Schwarzgelder.
Ausnahme: Schnelle Finanz
Das liest sich im Gesetz so: "Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe, für die der Abgabenanspruch vor dem 1. Jänner 1993 entstanden ist, verjährt spätestens mit Ablauf des 1. Juni 2000".
Gemeint ist: Steuerbescheide für Zeiträume (oder Zeitpunkte) vor dem 1. Jänner 1993 darf es nach dem 1. Juni 2000 normalerweise nicht mehr geben. Der "Abgabenanspruch", etwas ungenau mit
"Steuerpflicht" zu übersetzen, gilt als erloschen, als absolut verjährt. Die Finanz kann da weder eine Unterbrechung noch eine Hemmung der Verjährung hinein interpretieren. Normalerweise. Weil es die
berühmte Ausnahme gibt.
Die Ausnahme tritt ein, wenn die Finanz schon vorher, jedenfalls noch vor dem 2. Juni 2000 den sündhaften Steuerzahler bereits ins Visier genommen hat. Dazu der Gesetzestext: "... es sei denn, der
Steuerpflichtige hat bis zu diesem Zeitpunkt davon Kenntnis, dass die Höhe des Abgabenanspruches Gegenstand abgabenrechtlicher Ermittlungen ist". Wenn der sündige Steuerzahler also weiß, dass ihm die
Finanz schon auf dem Fersen ist, dann gibt's für ihn keine Verjährungsgnade.
Deutliche Behördenaktionen
Wie bekommt man davon Kenntnis, dass einem die Finanz schon auf den Fersen ist? In einer internen Instruktion hat das Ministerium den Finanzämtern einen Katalog von Maßnahmen mitgeteilt,
aus denen ein Steuerzahler erkennen kann, dass die Behörden schon vor dem Juni-Stichtag hinter ihm her sind.
Solche Maßnahmen sind etwa ein finanzamtlicher Fragebogen, ein Bedenkenvorhalt, ein Ergänzungsauftrag zu den Steuererklärungen der alten Jahre. Auch amtliche Maßnahmen, die einen Sachverhalt früherer
Jahre aufklären sollen, gehören dazu, wie etwa die Befragung von Auskunftspersonen oder Zeugen, die Durchführung eines Lokalaugenscheins; ein Amtshilfeersuchen, vor allem aber natürlich die Vorladung
des Steuerzahlers selbst, um zu etwaigen alten Steuersünden befragt zu werden.
Keine Amnestie-Störung
Nicht als amnestiestörende Ermittlungshandlung gilt die bloße Ankündigung einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt, es sei denn, der Steuerzahler akzeptiert ausdrücklich den Prüfungs- oder
Nachschauauftrag der Behörde. Auch die (nachträgliche) Einreichung einer Steuererklärung oder deren (reumütige) Berichtigung ist ungefährlich. Und selbst die (gar nicht so seltene) Vernaderung eines
Bürgers beim Finanzamt durch einen anonymen Dritten gilt nicht als Verhinderung der Verjährung, bestätigt das Ministerium. Eine Steuervorschreibung nach dem 1. Juni 2000 für die Jahre vor 1993 ist
auch dann nicht zulässig, wenn amtliche Ermittlungen zur sogenannten "einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften" erfolgen, von denen der betroffene Steuerzahler keine Kenntnis
hat.
Das betrifft vor allem die unzähligen (Verlust-)Beteiligungsgesellschaften, die von der Finanz oft erst mit jahrelanger Verspätung geprüft werden und deren Prüfungsergebnisse dann auf alle
Beteiligten (meistens recht unangenehm) ausstrahlen. Wenn der Beteiligte von der amtlichen Prüfung keine Kenntnis hat, braucht er die auf ihn zukommenden Steuernachzahlungen der Jahre 1992 und früher
nicht gegen sich gelten lassen.
Verjährung als Wahlrecht
Die Amnestie ist eine absolute, aber keine unbedingte. Es sind Fälle denkbar, bei denen ein Steuerzahler die Verjährung lieber nicht herbeiwünscht. Etwa dann, wenn ein früheres Steuerverfahren
noch nicht abgeschlossen ist und zu einer Verminderung der (damaligen) Steuerlast oder gar zu einem Steuerguthaben führen könnte. Das Gesetz sieht deshalb vor, dass man auf die Anwendung der
Verjährungsbestimmung ausdrücklich verzichten kann. Pech, wenn dann die erhoffte Wohltat letztlich doch nicht eintritt, denn ob man dann seinen "Nichtanwendungsantrag" wieder zurückziehen kann, ist
noch nicht geklärt.
Keine Strafverfolgung
Der neue Amnestieparagraph 209 Abs. 4 der Bundesabgabenordnung bekommt übrigens auch eine Ergänzung im Finanzstrafgesetz. Steuerexperten hatten schon befürchtet, dass der Fiskus zwar eine
großzügige Steueramnestie verspricht, aber die Steuerstrafen auf die alten Steuersünden dennoch abkassieren könnte.
In der Gesetznovelle liest man Beruhigendes. In Übereinstimmung mit der absoluten Verjährung für alle Steuern von 1992 und davor soll auch für alle diesbezüglichen Strafverfolgungen durch
Behörde oder Gericht die absolute Verjährung eintreten. Vergeben, vergessen, Schwamm drüber. Freilich auch hier: Es sei denn, die Finanz war mit ihren Ermittlungen bis zum Juni 2000 schneller.