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Der Fluch des Deal-Makers

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

US-Präsident Donald Trump wird nach einer Phase der massiven Kritik nun auch positiv eingeschätzt.


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Donald Trump ist nun seit bald eineinhalb Jahren Präsident der Vereinigten Staaten. Er hat es in dieser Zeit geschafft, das tragende Fundament der ökonomischen und politischen Weltordnung seit dem Zweiten Weltkrieg in Frage zu stellen und möglicherweise auf längere Sicht sogar aus den Angeln zu heben.

Die Vision bestand darin, die Spieler auf der globalisierten Weltbühne in ein Governance-System einzuhegen, das auf völkerrechtlichen Vertragsbeziehungen samt dem Jahrtausende alten Grundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten) beruht. Dieser Prozess ist - trotz vieler Rückschläge - weitgehend erfolgreich verlaufen. Er hat seinen bisherigen Höhepunkt im europäischen Einigungsprozess gefunden, der auf einem nahezu 100.000 Seiten umfassenden Regelwerk beruht.

Nicht, dass Trumps "America first" besonders originell wäre. Es gibt wohl kein Land, dessen politische Führung ohne solche Slogans auskommt. Auch nicht, dass frühere US-Administrationen sich immer strikt an internationale Verträge gehalten hätten. Aber in existierenden multilateralen Vertragsbeziehungen von vornherein nicht mehr als Jetons zur Aushandlung bilateraler Deals zu sehen, stellt eine neue Qualität dar, die Trump als US-Präsident salonfähig gemacht hat.

Betroffen machen muss uns die Tatsache, dass nach einer Phase massiver Kritik am neuen US-Präsidenten mehr und mehr positive Einschätzungen zu hören sind, ob dies nun seinen Umgang mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un betrifft, sein Infragestellen des Iran-Abkommens, seine Ablehnung internationaler Handels- und Investitionsverträge oder seine betont nationalistische Handels- und Wirtschaftspolitik, der zahlreiche Globalisierungsgegner und Voodoo-Keynesianer einiges abgewinnen können.

Interessant ist zu beobachten, dass auch Großmächte wie China und Russland durchaus vorsichtig mit dem US-Präsidenten umgehen, der sich ja der Größe seines Atomwaffenknopfs rühmt. Nicht zu Unrecht nutzen die Führungen in Peking und Moskau dabei die Gelegenheit, sich als Garanten einer stabilen politischen und wirtschaftlichen Weltordnung zu profilieren.

Trumps Zugang zur internationalen Politik, sich selbst als Deal-Maker zu sehen, birgt einerseits die große Gefahr einer nachhaltigen Abwertung der bestehenden multilateralen Weltordnung mit ihren tragenden Institutionen (UNO, Währungsfonds, Weltbank, WTO, G20, G7 etc.); andererseits könnte er von verschiedensten politischen Gruppierungen als Ermutigung verstanden werden, vertragliche und sonstige rechtliche Verpflichtungen und Beschränkungen auf dem Weg zu ihren machtpolitischen Zielen zu missachten. Das betrifft in besonderem Maße die Europäische Union, deren Existenzberechtigung und Funktionsweise sich ausschließlich auf bilaterale und vor allem multilaterale Vertragsbeziehungen zwischen Nationalstaaten gründet.

In diesem Sinne bleibt nur zu hoffen, dass die jüngsten, bisher durchaus demokratischen Entwicklungen in Italien sich nicht "vom Fluch des Deal-Makers belastet" zur Katastrophe für Europa ausweiten.