Eine WM hat immer auch ihre grausamen Momente. Ein einzelnes Missgeschick kann Spieler ihr Leben lang verfolgen.
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Anton Pfeffer ist vielleicht der einzige österreichische Akteur, für den die 0:9-Niederlage in Spanien auch ein Segen war. Sein legendärer Sager "Hoch wern mas nimma gwinnen" (ausgesprochen beim Pausenstand von 0:5) hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Und überdeckt damit ein wenig die zweite Erinnerung, die viele Österreicher an Pfeffer haben: Sein fataler Rückpass bei der Weltmeisterschaft 1990 gegen die ČSFR, der zu einem Elfmeter führte und so die 0:1-Niederlage einläutete. Pfeffer hat in seiner Verteidiger-Karriere jede Menge Stürmer abmontiert, viele ausgezeichnete Partien gespielt - verbunden ist sein Name vor allem mit diesen beiden Momenten.
Die gesamte Nation schaut bei Länderspielen zu. Das gilt umso mehr bei einer WM (Qualifikationsspiele brennen sich dann ein, wenn in ihnen Herausragendes passiert, wenn man etwa gleich 0:9 verliert). Das kann solche Matches zum Fluch machen. Ein einzelner Aussetzer verfolgt manchen Akteur ein Leben lang.
Die Grausamkeit des einzelnen Moments lernte bei dieser WM bereits der Peruaner Christian Cueva kennen. Als er im Match gegen Dänemark beim Stand von 0:0 zum Elfmeter antrat, lasteten die Hoffnungen einer ganzen Nation auf ihm: Sein Blick war unruhig, er blies die Backen auf, unterbrach dann bei der Ausführung des Elfers noch einmal den Anlauf, was wohl mehr seiner Unsicherheit als einem Täuschungsmanöver geschuldet war. Der sonst sichere Elferschütze jagte den Ball weit über das Tor. In der Pause war Cueva auf dem Weg in die Kabine den Tränen nahe, und die restliche zweite Halbzeit stand er neben sich, fand kaum noch ins Spiel. Peru verlor schließlich 0:1.
Ein noch viel schlimmeres Missgeschick unterlief dem Marokkaner Aziz Bouhaddouz. In der 95. Minute besiegelte er im Match gegen den Iran unbedrängt per Flugkopfball die 0:1-Niederlage. Der St.Pauli-Akteur entschuldigte sich danach bei "35 Millionen Marokkanern" und sprach von einem "wahren Albtraum".
Wie sehr einem Spieler die Angst vor einem derartigen Moment zusetzen kann, darüber berichtete kürzlich in seltener Offenheit der frühere deutsche Team-Verteidiger Per Mertesacker, für den die Heim-WM 2006 offenbar kein Sommermärchen war. "Der Druck hat mich aufgefressen", sagte er dem "Spiegel". "Dieses ständige Horrorszenario, einen Fehler zu machen, aus dem dann ein Tor entsteht."
Andererseits: Ein einzelner Augenblick kann auch Helden erschaffen. Mario Götze wird - wie seine weitere Karriere auch verläuft - immer Deutschlands Siegtorschütze beim WM-Titel 2014 sein. Und auch Cueva hätte bei verwertetem Elfmeter zum gefeierten Mann bei den ohnehin zu Theatralik neigenden peruanischen Fans werden können. So machte ihn aber ein einzelner Moment, dem er nervlich nicht gewachsen war, zur tragischen Figur.
Noch ist für ihn nichts verloren. Noch kann Peru mit entsprechenden Ergebnissen gegen Frankreich und Australien in die nächste Runde kommen. Und Cueva kann seien Teil dazu beitragen. Sollte Peru aber ausscheiden, droht ihn dieser Penalty ein Leben lang zu verfolgen. Egal, was er sonst noch leisten wird.