Brüssel - Nach dem Ende des unrühmlichen EU-Gipfels von Brüssel am Freitag, ein Ereignis, das nach Ansicht vieler gar nicht hätte stattfinden dürfen, steht die EU jetzt vor weiteren Problemen: Denn während die Briten unter Tony Blair für eine UN-Resolution zur Festlegung der Nachkriegsordnung im Irak sind, legt sich Frankreich gegen einen solchen Schritt quer. Das Ansinnen Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs, eine neue, europäische "Verteidigungsidentität" zu begründen, wird dagegen von Großbritannien als bewusster Affront gewertet.
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Ein CNN-Reporter brachte es ziemlich genau auf den Punkt wenn er meinte, die EU habe den zur Unzeit angesetzten Gipfel "gebraucht, wie ein Loch in den Kopf". Was von vielen Politikern auch gar nicht bestritten wurde: Den luxemburgischen Ministerpräsident Jean-Claude Juncker erinnerte den Gipfel an ein "gespenstisches Treffen" in "eisiger" und "surrealistischer" Atmosphäre . Die Debatten seien von "niederschmetternder Heuchelei" gewesen. Gerhard Schröder merkte gar an, dass es immerhin "nicht zu Kampfhandlungen" zwischen den EU-Chefs gekommen sei.
Bei dem Treffen der EU-Spitzen konnte man sich nicht nur nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt zum Irak- Krieg einigen - sieht man von einer Erklärung ab, die mehr als dürr war - es bahnte sich bereits der nächste Streit zwischen den beiden Hauptkontrahenten Frankreich und Großbritannien an. Während die Briten versuchten, die EU-Partner für eine neue Resolution des Sicherheitsrates zur Nachkriegsordnung im Irak zu gewinnen, schmetterte der französische Staatspräsident Jacques Chirac dieses Ansinnen postwendend ab. Eine solche Resolution wäre aus seiner Sicht eine "nachträgliche Legitimierung" der Militärintervention, die Paris von Anfang an vehement abgelehnt hatte. Auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte nicht auf die heikle Frage eingehen, wie der Wiederaufbau des Irak nach dem Ende des Regimes von Saddam Hussein finanziert werden soll. Vor allem Frankreich und Deutschland möchten sich nicht für die Kosten eines Krieges zur Kasse bitten lassen, den beiden nicht wollten. Jaques Chirac wehrt sich außerdem vehement gegen die Etablierung einer US-britischen Militärverwaltung im Irak unter Ausschluss Frankreichs.
EU-Verteidigungsinitiative: Ein bewusster Affront
Zu einem weiteren Problem könnte eine europäische Verteidigungsinitiative werden, die Deutschland, Frankreich und Belgien im Zuge des Gipfels angeregt haben und der sich jetzt auch Luxemburg angeschlossen hat. Der Schritt soll der - momentan gar nicht existenten - gemeinsame Außenpolitik der EU ein militärisches Fundament verpassen. Gerhard Schröder stellte zwar klar, dass man keinen EU-Partner von der geplanten Initiative ausschließen wolle, dennoch ist ein solcher Vorstoß klar gegen Großbritannien und Madrid gerichtet, die militärpolitisch der EU den Rücken gekehrt haben und Schulter an Schulter mit den USA im Feld stehen.
Der belgische Außenminister Louis Michel brachte die Initiative auch ganz offen mit dem Vorgehen der USA im Irak und der dazu geschlossenen "Allianz der Willigen" in Verbindung: Wenn die EU eigene militärische Fähigkeiten entwickle, könnten sich die USA nicht mehr "aus dem Korb herausgreifen", was ihnen passe. Auch im EU-Reformkonvent soll deshalb die Weiterentwicklung der europäischen Verteidigungspolitik vorangetrieben werden.
Ein erstes Treffen in dieser Sache könnte laut Jean-Claude Juncker bereits am 20.April dieses Jahres stattfinden, wenn die sieben "kleinen" EU-Staaten Belgien, Niederlande, Luxemburg, Portugal, Österreich, Finnland und Irland ihre Interessen vor der anstehenden EU-Reform abstecken wollen.
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel steht der Initiative grundsätzlich positiv gegenüber. Es kämen dafür im Falle Österreichs aber nur Berufssoldaten in Frage, stellte Schüssel gegenüber der "Kleinen Zeitung" klar.