Schwangerschaftsabbruch ist in fast allen Ländern Europas ein Fall im Strafgesetzbuch.
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Dublin/Wien. Wer über den Unterleib einer Frau bestimmt, ist nicht immer sie selbst. Vor allem, wenn es um eine Schwangerschaft geht.
Die Iren stimmen diesen Freitag darüber ab, ob der 1983 der Verfassung hinzugefügte achte Artikel aufgehoben wird. Dieser definiert, dass das ungeborene Leben dem der Mutter gleichzusetzen ist und vom Staat beschützt werden muss. Wird dieser Artikel gekippt, sind erstmals Reformen bei Schwangerschaftsabbrüchen im Land möglich. Bis jetzt hat Irland eines der striktesten Abtreibungsverbote in ganz Europa, das in einer Volksabstimmung 1983 bekräftigt wurde. Die Strafe: 14 Jahre Gefängnis. Seit 2013 sind Abbrüche erlaubt, wenn das Leben der Mutter bedroht ist. Frauen wird jedoch eine Abtreibung verweigert, wenn die Gesundheit der Mutter "bloß" gefährdet ist, der Fötus fehlgebildet oder das Resultat einer Vergewaltigung ist.
Wie sieht es im Rest von Europa aus? Nur Malta, Andorra und San Marino sind in Europa noch restriktiver als Irland - diese Länder verbieten einen Abbruch ausnahmslos. Aber auch in Monaco, Liechtenstein, Irland, Nordirland und Polen ist der Abbruch verboten. Polen ist hier ein Sonderfall. Das Land hatte, wie viele ex-kommunistische Nachbarn, eine liberale Regelung. Der Schwangerschaftsabbruch war in jedem Krankenhaus auf Wunsch und kostenfrei möglich. Doch auf Druck Papst Johannes Pauls II. erließ das Parlament 1993 ein Gesetz, das Abtreibung verbietet. Ausgenommen von Strafe sind Abbrüche, wenn die Frau vergewaltigt wurde, sie Opfer von Inzest, der Fötus stark beschädigt ist oder die Schwangerschaft eine Gefahr für die Gesundheit der Frau darstellt. Tatsächlich lehnen aber viele Ärzte und Spitäler den Eingriff ab oder vergeben über Wochen keinen Termin, was dazu führt, dass die legale Frist von drei Monaten überschritten wird. Viele Polinnen nehmen daher vermehrt einen Abbruch im Ausland vor, insbesondere in der Slowakei und Österreich - verbunden mit entsprechenden Kosten und Strapazen.
Christian Fiala, ärztlicher Leiter und Mitbegründer des Gynmed-Ambulatoriums in Wien, geht es dabei nicht so sehr um liberal versus restriktiv. "In der Demokratie geht es darum, welches Selbstbestimmungsrecht der Staat den betroffenen Frauen zugesteht", sagt der Gynäkologe der "Wiener Zeitung".
Sein Urteil über den Zustand Europas fällt ernüchternd aus: "Es gibt in Europa kein Land, das seinen Bürgern in diesem intimsten Lebensbereich wirkliche Selbstbestimmung zugesteht."
Für den Mediziner ist Kanada ein Vorbild. Dort erklärte der Oberste Gerichtshof bereits 1988, dass das Strafgesetz mit dem Schwangerschaftsabbruch nichts zu tun haben darf. Die Verbindung sei menschenrechtswidrig. Der Tatbestand wurde ersatzlos aufgehoben.
Schweden eine Ausnahme
In Europa bleibt der Abbruch in den meisten Ländern illegal, so auch in Österreich und Deutschland. Der Staat räumt nur Ausnahmen von der Strafbedrohung ein. Aus der Reihe tanzt Schweden. Hier ist der Abbruch bis zur 18. Woche Entscheidung der Frau. In dem skandinavischen Land gibt es zudem wie in Frankreich flächendeckende Versorgungszentren und ein Recht auf einen Abbruch. Das heißt, alle Spitäler müssen den Eingriff vornehmen, (ähnlich in Portugal). Frankreich hat zudem in den vergangenen Jahren einige Restriktionen aufgehoben, wie etwa die Pflichtberatung und die Wartefrist, weil diese mit den Menschenrechten von Frauen nicht vereinbar seien und zudem die volle Kostenübernahme für alle Frauen eingeführt.
Großbritannien war 1967 das erste Land Westeuropas, das den Abbruch legalisierte. Aber auch hier werden weitere Schritte zur Entkriminalisierung diskutiert. Das britische Parlament setzt sich derzeit mit der Abschaffung der Verweigerung aus Gewissensgründen sowie der Herausnahme des Abbruchs aus dem Strafgesetzbuch auseinander. Die Regelungen gelten allerdings nicht für Nordirland - hier bleibt das Verbot weiter bestehen.
"In Europa sind wir noch immer damit beschäftigt, die alten Restriktionen aus Monarchie und Diktatur zu überwinden", sagt Fiala. So stellen für den Mediziner Österreich und Deutschland "traurige Schlusslichter" Europas dar. In Deutschland gibt es weltweit eine einmalige Restriktion, die Zwangsberatung, in der es laut Gesetz "um den Schutz des ungeborenen Lebens" geht.
Die Verurteilung einer deutschen Ärztin gab heuer zudem Anlass zur Diskussion. Sie hat auf ihrer Website darüber informiert, dass Abbrüche zu ihrem Leistungsspektrum gehören. Ärzten in Deutschland ist es per Gesetz verboten, Schwangerschaftsabbrüche zu bewerben - das schließt die Information über das Angebot auf der eigenen Website mit ein. Auch ein Unikum. Das Verbot wurde unter Adolf Hitler eingeführt, der Schwangerschaftsabbrüche zudem unter Todesstrafe stellte. Die letzte Frau wurde in Wien im Jänner 1945 exekutiert.
Für Fiala ist das Informationsverbot frauenfeindlich. "Frauen, die von einer ungewollten Schwangerschaft betroffen sind, befinden sich in einem Informationsnotstand - sie brauchen innerhalb kurzer Zeit sehr viele Infos, weil sich vorher auch niemand zu dem Thema informiert." Weder ein sogenanntes Werbeverbot noch restriktive Regelungen führen zu weniger Abbrüchen, so Fiala. Im Gegenteil: Vor den Liberalisierungen gab es meist mehr Abbrüche als danach, denn Frauen weichen aus - in andere Länder oder versuchen ihre Notlage selbst zu lösen und gefährden damit sich selbst.
Die Anzahl der Abbrüche in einem Land ist vielmehr davon abhängig, wie gut in einer Gesellschaft verhütet wird. Laut dem Österreichischen Verhütungsreport gäbe es bei der Kostenübernahme von Verhütungsmitteln etwa 10.000 Abbrüche weniger, weil Frauen dann auf langfristige, sicherere und eben auch teurere Verhütungsmittel umsteigen.
Kostspieliges Österreich
"Österreich ist eines der wenigen Länder, wo weder Abbruch noch Verhütungsmittel von der Krankenkasse bezahlt werden", sagt Fiala. Noch nicht einmal für Frauen mit geringem Einkommen. Im auf Schwangerschaftsabbrüche spezialisierten Gynmed-Ambulatorium kostet ein Eingriff 560 bis 600 Euro je nach Schwangerschaftswoche und Behandlungsart. Ebenfalls in Österreich spielt die Historie auch im Gesetzbuch nach wie vor eine große Rolle. So hat Maria Theresias Umgang mit Abtreibung, , die Abtreibung mit dem Tode bestrafte. bis heute Auswirkungen auf die österreichische Gesellschaft. Wegen der Tabuisierung des Themas gibt es hierzulande keine Regelungen.
So wurde der Preis in Niederösterreich etwa auf für viele unbezahlbare 1000 Euro angehoben, das ist das Fixum in den Spitälern der Landesholding. Privatspitäler gibt es nicht, die Abbrüche durchführen. Aber auch in den anderen Bundesländern gibt es erschwert Zugang. Im Burgenland gibt es gar keinen Arzt, der Abbrüche durchführt, in Tirol, der Steiermark und Vorarlberg jeweils einen, in Kärnten zwei Ärzte. In Salzburg gibt es mittlerweile einen Ableger des Gynmed Ambulatoriums. Öffentliche Spitäler sind hierzulande nicht verpflichtet, den Eingriff anzubieten. "Eine Massive Unterversorgung - dafür, dass der Abbruch den häufigsten chirurgischen Eingriff in der Gynäkologie darstellt", sagt Fiala.
Tabu auch unter Gynäkologen
Auch in Italien, wo eine Fristenregelung gilt, kommen ungewollt Schwangere in Bedrängnis, weil sieben von zehn Ärzten die Durchführung eines Abbruchs verweigern. Das liege dort wie hier aber weniger an den Ärzten selbst als an dem Druck, der vom Umfeld auf sie ausgeübt würde, sagt Fiala. Die sogenannte Gewissensklausel stellt für den Arzt eine Therapieverweigerung dar, ein "privater Boykott eines demokratisch beschlossenen Gesetzes", die oft nur aus Karrieregründen vorgeschoben wird.
Selbst in Fachkreisen ist das Thema Schwangerschaftsabbruch ein Tabu. Weder im Medizinstudium noch in der Facharztausbildung wird darüber gelehrt. Fiala hat sein Wissen in Frankreich und Schweden gesammelt sowie bei der internationalen Organisation Fiapac. In Österreich gibt es keine Qualitätssicherung, keine Weiterbildungen, "die Technik und Instrumente, die in den Spitälern angewandt werden, sind bis zu 40 Jahre veraltet", kritisiert der Mediziner.
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