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114 Missstände konnten im Jahr 2012 festgestellt werden.
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Wien. Angefressene Wiener. Man kennt sie. Sie schnauben. Sie granteln. Sie schimpfen. Doch irgendwann hat das Sudern ein Ende und sie schreiten zur Tat. Dann, wenn ihnen die heimischen Behörden endgültig gegen den Strich gehen. 924 Wiener haben im Jahr 2012 bei der Volksanwaltschaft Beschwerde eingereicht, heißt es im aktuellen Bericht der drei Volksanwälte Terezija Stoisits (Grüne), Gertrude Brinek (ÖVP) und Peter Kostelka (SPÖ). Das sind um zehn Prozent mehr als 2011. Insgesamt entdeckte die Ombudsstelle im Vorjahr 114 Missstände in der Verwaltung. Und es sind mehr als nur Lappalien einer grantelnden Wohlstandsgesellschaft.
Die meisten Beschwerden gab es im Bereich Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, für den Volksanwalt Kostelka zuständig ist. Er berichtet unter anderem von einer überfüllten Sozialeinrichtung für jugendliche Asylwerber, denen jegliche therapeutische Betreuung fehlte. "Diese jungen Menschen sind durch die Hölle gegangen", sagt Kostelka, "und es bedarf mehr als Unterbringung und Nahrung, es braucht auch therapeutische Unterstützung."
Weiters kritisiert der Volksanwalt die Unterbringung behinderter Jugendlichen, die mangels Alternativen in Alten- und Pflegeheimen betreut werden. Ebenso berichtet er von dem Fall eines 45-jährigen HIV-kranken Mannes, der seit vier Jahren auf einer geriatrischen Pflegestation lebt. Das Durchschnittsalter liegt dort bei 80 Jahren. Der Mann war isoliert. Auch durch den Umstand, dass der Fonds Soziales Wien die Freizeitfahrtendienste für stationäre Langzeitpflegepatienten eingestellt hatte und der Mann nicht mehr regelmäßig das Tageszentrum des Aidshilfehauses besuchen konnte. Mithilfe der Volksanwaltschaft kann er nun bald umziehen.
Menschenrechtswidrige Netzbetten in Psychiatrie
Ein langjähriger Kritikpunkt der Volksanwälte ist die Verwendung der käfigartigen Netzbetten, die in psychiatrischen Einrichtungen in Wien eingesetzt werden. Obwohl die Betten weltweit als rückständig gelten und laut Antifolterkomitee des Europarats als menschenrechtswidrig eingestuft wurden, werden sie vor allem im Osten Österreichs eingesetzt. Kostelka kündigt nun weitere Gespräche mit dem Gesundheitsministerium an.
Gemeindeangelegenheiten waren im Vorjahr die zweithäufigsten Beschwerden der Wiener. Insgesamt 235 Beschwerden sind bei Volksanwältin Brinek eingetrudelt. Es waren vor allem Missstände in der städtischen Friedhofsverwaltung. Immer wieder sei es passiert, dass Wiener zu ihren Grabstellen kamen und feststellen mussten, dass dort fremde Personen bestattet wurden. Die Friedhofsverwaltung würde es verabsäumen, die Betroffenen zu informieren, dass die Gräber anderweitig vergeben worden seien. "Der, der die Gebühr bezahlt, weiß oft gar nicht, dass er formal nicht der Benützungsberechtigte ist. Dieser Zustand gehört geregelt", forderte Brinek.
"Da stimmt etwas nicht mit der MA 35"
Weiter beschwerten sich 68 Personen im Vorjahr über die MA 35 als Staatsbürgerschaftsbehörde. 45 dieser Fälle wurden geprüft, bei diesen wurden 22 Missstände festgestellt. So gab es Mandanten, die elf und manchmal sogar 19 Monate auf ihr Verfahren gewartet haben, was de facto ein Verfahrensstillstand war. "Da stimmt etwas nicht mit der MA 35", sagt Stoisits. Ihr sei bewusst, dass es sich bei der MA 35 um eine außergewöhnliche Klientel handle. Schließlich seien es Männer und Frauen, die um Einbürgerung ansuchen und vielleicht aufgrund der Sprachkenntnisse und des mangelnden Trainings in Österreichs Behördenparcours eine Herausforderung für die Beamten darstellen würden. Gerade deshalb bedarf es eines bestens ausgebildeten Personals, meint Stoisits. Die Volksanwaltschaft stellte bei der MA 35 sowohl organisatorische Probleme wie auch eine mangelnde Sorgfalt bei der Aktenverwaltung fest.
Die Volksanwaltschaft kontrolliert österreichweit die gesamte öffentliche Verwaltung. Seit 2012 darf die Ombudsstelle auch Orte prüfen, an denen Menschen angehalten werden. Dazu gehören neben Pflegeheimen auch Anhaltezentren oder Veranstaltungen, bei denen die Polizei im großen Stil tätig wird - etwa bei Razzien oder Demonstrationen.
Problematisch bleiben für die Volksanwälte die ausgegliederten Rechtsträger der Stadt wie zum Beispiel die Wiener Stadtwerke. Diese fallen nicht in den Aufgabenbereich der Volksanwälte. Brinek weiß um ihre eingeschränkte Prüfmöglichkeit: "Wenn es hart auf hart kommt, können uns die Vorstände der Unternehmen sagen: Braust’s euch!"