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Der Frieden könnte weiblich sein

Von Bernhard Fischer

Politik
Lysistrata lehnt "Kriegsverursacher" Mann ab. Foto: Archiv

Sex-Streik in Kolumbien. | Kaum Frauen bei Kosovo-Gesprächen. | Sexuelle Gewalt ist ein Kernproblem. | Bogotá/Wien. "Kein Sex nach dem Schießen!" Um dem Bandenkrieg in Bogotá Einhalt zu gebieten, haben kolumbianische Frauen zum Streik der "geschlossenen Beine" aufgerufen. Sollten ihre Männer die Waffen nicht niederlegen, gibt es Liebesentzug. Ein fairer Handel?


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"Nur durch die Einbindung von Frauen in die Friedensgespräche kann ein Frieden auch nachhaltig sein", erklärte die Direktorin des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen (Unifem), Noeleen Heyzer dieser Tage in Wien. Bei der Podiumsdiskussion im Parlament nahmen unter anderen Wolfgang Petritsch, früherer Sonderbotschafter in Bosnien-Herzegowina und Ex-Frauenministerin Helga Konrad teil.

Die stärkere Beteiligung der Frauen an Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten bleibt zu weiten Teilen nach wie vor Fiktion. Obwohl genau das die UN-Resolution 1325 vorsieht, die im Jahr 2000 einstimmig beschlossen wurde. Dabei ist die Resolution ein "wichtiger Meilenstein für eine frauenorientierte Friedenspolitik und sollte auch im Balkan Anwendung finden", sagte die österreichische Vorsitzende des Unifem-Nationalkomitees Brigitte Brenner. "Sechs Jahre nach Verabschiedung der Resolution ist nicht viel erreicht worden", schloss sich ihr die zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer an.

Wehrhafte Frauen

Wenn Frauen in bewaffneten Konflikten Geschichte geschrieben haben, dann meist als Opfer. Doch schon lange ergeben sich Frauen nicht mehr ihrem Schicksal. Sie wehren sich, werden bisweilen sogar zu Kriegstreiberinnen. Krieg sei ja keine Naturkatastrophe, sondern er werde vorbereitet, auch wenn zumeist Männer dafür verantwortlich sind, wie die Unifem-Direktorin feststellte. So kam es bis zu höchsten politischen Ebenen vor, dass Frauen und Töchter jenen Geschlechtsgenossinnen zujubelten, die Kriege mit zu verantworten hatten - der Yom Kippur-Krieg unter Führung der damaligen israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir ist ein prominentes Beispiel aus der jüngeren Geschichte.

Aber inzwischen ist die Rolle der Frauen für Frieden und Entwicklung institutionell anerkannt und unbestritten - das zeigen vor allem die Weltkonferenzen der Vereinten Nationen. Diese setzen sich dafür ein, Frauen an der Lösung von bewaffneten Konflikten zu beteiligen; denn von Kongo bis Burundi, von Sierra Leone bis Korea wurden Frauen davon ausgeschlossen und genau das will man ändern.

In Europa verhält es sich nicht anders, wenn man an den Kosovo oder den gesamten Balkan denkt. Dort ist die Frauenbeteiligung an politischen Entscheidungsprozessen eine Fiktion - die Wiener Kosovo-Gespräche sind das jüngste einer Reihe von Beispielen.

Frauen ausgeschlossen

"Männliche Machtdemonstrationen, die sich in der Politik fortsetzen und Frauen immer noch ausschließen, sind ein Kernproblem", kritisierte Heyzer.

Denn Frauen sind im Krieg zusätzlichen Risiken durch sexuelle Gewalt ausgesetzt. Massenvergewaltigungen von Frauen sind als systematisches Mittel der Kriegsführung weltweit bekannt. Dabei geht es nicht um Triebbefriedigung, sondern vielmehr um die Demütigung des Feindes. "All dies zeigt, dass das "Geschlecht" (siehe unten) eine wichtige Variable in Kriegs- wie in Friedenszeiten ist. In Friedensprozessen und damit verbundenen Gender-Debatten wird diese Variable häufig übersehen", sagte Menschenrechtsexpertin Melita Sunjic.

Vom antiken Griechenland wird über die Frauen Athens und Spartas berichtet, die sich nach der Besetzung der Akropolis ihren Gatten sexuell verweigerten. In Bogotá dürften derartige Friedensbemühungen bereits gefruchtet haben - Bandenkrieg und Waffeneinsatz gehen zurück. Vielleicht treten die Frauen am Balkan unter den bein-harten Umständen demnächst ebenso "geschlossen" auf, wie ihre südamerikanischen Geschlechtsgenossinnen.