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Der "Friedensnutzen" der Armee

Von Edwin Rüdiger Micewski

Gastkommentare

Das Bundesheer und die nationale Sicherheit in Zeiten von Covid-19.


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Die globale Coronavirus-Pandemie, die Österreich und die Nationen Europas derzeit mit unterschiedlicher Intensität heimsucht, hat zur nachhaltigen Störung des öffentlichen Lebens geführt und der Bevölkerung die Komplexität und Eintrittsgeschwindigkeit möglicher Gefährdungen und Bedrohungen spürbar nahegebracht. Die derzeitige Krise unterstreicht, dass die Herausforderungen an die staatliche Sicherheit keine strikte Trennung von militärischen und nichtmilitärischen Sicherheitsbereichen gestatten.

Zur Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung, zum Schutz von Lebensgrundlagen und kritischer Infrastruktur, zur Einhaltung und Überwachung von Quarantänemaßnahmen und Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit ist im Krisen- und Sicherheitsmanagement des Landes das solidarische Zusammenwirken aller Kräfte - inklusive und insbesondere auch des Bundesheeres - erforderlich. Eine parallel zum Militär mit ähnlichen personellen und materiellen Mitteln ausgestattete Organisation - etwa zur Grenzsicherung, Katastrophenhilfe oder zur Unterstützung der Ordnungskräfte im Inneren - zu unterhalten, wäre mit dem Anspruch von Zweckrationalität und Sparsamkeit im Umgang mit staatlichen Ressourcen unvereinbar. Kein Staat kann es sich leisten, auf die massiven Ressourcen seiner Streitkräfte zu verzichten.

Der weit über den Aspekt der klassischen Verteidigung hinausreichende "Friedensnutzen" von Streitkräften (in den USA sinnvollerweise als "double duty dollar" bezeichnet) muss in einer auf Effizienz gerichteten Sicherheitspolitik voll zum Tragen zu kommen. Diese Überlegung hat die Konfiguration einer Sicherheitsdoktrin ebenso anzuleiten wie die adäquate Zuordnung staatlicher Ressourcen und budgetärer Mittel an die mit nationaler Sicherheit betrauten Organisationen. Im Rahmen dieser Vorgaben ist weiters auch die bedrohungsabhängige Querverschiebung budgetärer Mittel für die Fälle militärischer Unterstützung von zivilen Einrichtungen und Organisationen - anlassbedingt beispielsweise vom Innen- zum Verteidigungsressort - vorzusehen.

Die militärische Unterstützung ziviler Einrichtungen - etwa im Objektschutz, in der Kontrolle von Massenmigration, bei technischen und Naturkatastrophen oder zur Abwehr hybrider Bedrohungen und bei Cyber-Angriffen - ist unerlässlich und schließt auch die Bereitschaft zu enger zivil-militärischer Kooperation in allen relevanten Bereichen der staatlichen Verwaltung ein. Dies sollte sowohl gesellschaftspolitisch als auch heeresintern bewusst gemacht werden und die Basis für einen parteiübergreifenden, sicherheitspolitischen Grundkonsens bilden.

Erlernen und Einüben der klassischen Kernkompetenz

Wird die Dienstbarkeit des Militärs in einem umfassenden Verständnis von Sicherheit akzeptiert, dann wird auch das für viele noch immer gewöhnungsbedürftige Paradoxon einsichtig, dass die Streitkräfte ihre innere Funktionstüchtigkeit für alle Aufgaben - insbesondere, was soldatische Fähigkeiten und die Führungskompetenz der Offiziere und Unteroffiziere anbelangt - nur im Erlernen und Einüben der klassischen Kernkompetenz erreichen und erhalten können. Die Aufrechterhaltung einer Mindestkapazität zur klassischen Landesverteidigung ist sowohl neutralitätsrechtliche Verpflichtung als auch organisatorisches Funktionserfordernis.

Idealerweise sollte die derzeitige Krise zum Anlass genommen werden, den aufgezeigten Paradigmenwechsel in der Identität der Streitkräfte in seiner gesamten staatspolitischen Tragweite in Staat und Gesellschaft zu verankern und als wegweisend für die Abstimmung der nationalen Sicherheitsvorkehrungen zu nutzen. Sowohl die Effizienz als auch die Glaubwürdigkeit eines sicherheitspolitischen Strategiekonzeptes - in Österreich wie anderswo - werden maßgeblich davon abhängen, inwieweit die militärische Landesverteidigung als Kernaufgabe der Militärorganisation in ein angemessenes Verhältnis zu all den anderen Sicherheitsaufgaben gebracht wird, zu deren Bewältigung die Streitkräfte einen Beitrag zu leisten haben.

Interdisziplinäres und interministerielles Denken und Handeln sowie vorurteilsfreie Kompetenzzuteilungen und klare Vorgaben für militärische Assistenz in allen relevanten Sicherheitsbereichen bilden die Voraussetzung für das effiziente Zusammenwirken aller für die Sicherheit Österreichs zuständigen Kräfte. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner - erste Frau in dieser Funktion und, da ohne Erfahrung in Fragen staatlicher Sicherheit, wohl auch dem Bundesheer gegenüber institutionell unvoreingenommen - hat nun die Chance, für die Umsetzung dieser Aufgaben genau die richtige Entscheidungsträgerin zum richtigen Zeitpunkt sein.