Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Belfast · Frankie Curry, der seit Jahrzehnten mit der Waffe für die "Sache" der nordirischen Protestanten kämpfte, wollte ein neues Leben beginnen, sagen seine Freunde. Nur wenige Tage
nachdem er aus dem Gefängnis kam, wurde der 46jährige in Belfast auf einem Schrottplatz von radikaleren Gesinnungsgenossen ermordet.
Zwei Tage zuvor war in Lurgan brutal das Leben einer Anwältin ausgelöscht worden, die für die Sache der Katholiken eintrat. Bei der Beisetzung von Rosemary Nelson (40) standen die Mitschüler der
achtjährigen Sarah Spalier, die ihre Mutter durch eine von Protestanten gezündete Autobombe verlor.
Nur wenige Tage vor dem ersten Jahrestag des nordirischen Friedensabkommens sprechen diese Bilder eine düstere Sprache. Am Karfreitag, dem 2. April, soll das Versöhnungsabkommen · knapp ein Jahr nach
dessen Unterzeichnung · nach dem Willen der Politiker in London mit der Einsetzung einer Regionalregierung für Nordirland konkrete Formen annehmen. Doch der Friedensprozeß steht still. Niemand wagt
vorauszusagen, welche Seite den Wettstreit zwischen Hoffnung und Gewalt gewinnen wird.
Mit dem Fememord an Curry, einem Kriminellen und politischen Extremisten, wollten seine ehemaligen Mitstreiter "die Autorität der Hauptströmung des Loyalismus wiederherstellen", schrieb der
"Guardian". Die berüchtigte Loyalisten-Gruppe Ulster Volunteer Force (UVF) rüste wieder auf, nachdem der Friedensprozeß durch den ebenfalls von extremistischen Protestanten verübten Mord an
Nelson einen "schweren Schlag" erlitten habe.
David Ervine, ehemaliger Untergrundkämpfer und heutiger Vorsitzender der kleinen Protestanten-Partei Progressive Unionist Party (PUP) ist über die jüngsten Morde beunruhigt: "Der Friedensprozeß, wie
wir ihn bisher kannten, bricht auseinander. Vielleicht ist er sogar schon gescheitert", sagte er.
Auch Vertreter der führenden Unionistenpartei UUP von David Trimble, dem designierten Regierungschef der Krisenprovinz, sprechen immer häufiger davon, daß ein "Zusammenbruch" des Friedensprozesses
bevorsteht. Auch US-Präsident Bill Clinton warnte.
Die Unionisten wollen indes in ihrer Forderung hart bleiben, daß die katholische Untergrundorganisation IRA Waffen abliefern muß, bevor ihre politischen Vertreter in die Regionalregierung einziehen
können. "Die Lage ist ziemlich hoffnungslos. Wir werden uns in der Frage der Waffen auf keinen Kompromiß einlassen", sagt der UUP-Abgeordnete Andrew Hunter.