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"Der Frust ist groß, die Politiker spüren das"

Von Walter Hämmerle

Politik
Heinrich Neisser ortet Bewegung in der Debatte. Foto: WZ/Urban

Heinrich Neisser über den Kampf für ein neues Wahlrecht. | "Wiener Zeitung": Am kommenden Montag präsentiert die Initiative Mehrheitswahlrecht ein neues Modell für eine Wahlrechtsreform. Wie soll dieses ausschauen?


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Heinrich Neisser: Wir wollen einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer neuen Wahlordnung präsentieren. Der Schwerpunkt des Modells liegt dabei auf der Stärkung der Persönlichkeitsorientierung. Dazu sollen 100 Mandatare des Nationalrats über Regionalwahlkreise direkt von den Bürgern gewählt werden, die übrigen 83 Mandate sollen wie bisher über das Listenwahlrecht vergeben werden. Mit dieser Lösung wäre auch die Verhältnismäßigkeit bei der Zusammensetzung des Parlaments gewährleistet.

Zuletzt häuften sich die Stimmen für eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts. Kommt Bewegung in die festgefahrenen Fronten?

Bewegung in der öffentlichen Diskussion war schon vor zwei Jahren, als wir für ein Mehrheitswahlrecht zu werben begannen. Jetzt wollen wir, dass der Nationalrat sich im Rahmen einer Enquetekommission mit der Frage einer Wahlrechtsreform auseinander setzt. Wir hatten dazu auch schon die Zusage fast aller Klubchefs, nur ist bis jetzt leider nichts in dieser Sache passiert. Hoffentlich ändert sich das jetzt, ich glaube nämlich schon, dass sich in der öffentlichen Meinung etwas bewegt. Der Missmut, der Frust über den Zustand von Parteien und Politik bei den Bürgern ist groß. Das spüren auch die Politiker und daher ist die Sensibilität für dieses Thema gestiegen.

Verabschiedet sich die Initiative mit dem neuen Vorschlag von ihrem ursprünglichen Ziel der Einführung des Mehrheitswahlrechts?

Nein, das neue Modell ist wie gesagt ein Zwischenschritt, wir wollen, dass eine ernsthafte politische Debatte darüber endlich einsetzt. Die Forderung nach einem Mehrheitssystem ist aus heutiger Sicht politisch einfach nicht konsensfähig, das muss man zur Kenntnis nehmen.

In Wien will die SPÖ nun ebenfalls die Wahlmöglichkeiten für die Bürger erhöhen, indem nicht nur verschiedene Kandidaten, sondern auch Parteien gewählt werden können. Ein Vorschlag in Ihrem Sinne?

Ich bin dankbar für jede neue Idee, die diskutiert wird. Der Vorschlag ist legitim.

Wie groß ist überhaupt der verfassungsrechtliche Spielraum der Bundesländer in der Frage des Wahlrechts?

Sie haben einigen Spielraum, sind aber an das Prinzip des Verhältniswahlrechts in der Verfassung gebunden. Ich würde aber empfehlen, sollte das Wiener Modell diese Form annehmen, den Artikel 26 der Verfassung zu ändern und diese Regelung explizit aufnehmen.

Gut möglich, dass jedes Bundesland in einigen Jahren ein eigenes Wahlrecht hat. Wäre das sinnvoll?

Damit hätte ich ein Problem, es gibt andere Bereiche, in denen ein Föderalismuswettbewerb sinnvoller wäre.

Wie wird es mit der Debatte um ein neues Wahlmodell weitergehen?

Wir lassen nicht locker und werden darauf drängen, dass die Klubs ihre Zusage einhalten, eine Reform zu diskutieren.

Der Jurist und Politologe Heinrich Neisser war ÖVP-Klubchef und Zweiter Nationalratspräsident.