Der kleine Staat Montenegro möchte Mitglied der Europäischen Union werden. Die EU-Kommission empfiehlt, darüber zu reden.
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Die Landschaft sieht aus, als ob sie niemand zähmen könnte. Steil ragen die dicht bewaldeten Berge über die Meeresbuchten. Und obwohl die Bäume sich wie ein grüner Teppich über die Hänge legen, sind die tiefen Täler dazwischen in dünklere Farben getaucht. Crna Gora heißt dieses Land daher - Schwarzer Berg, Montenegro.
Es ist ein kleiner Staat mit rund 670.000 Einwohnern, von der Fläche her etwas größer als Oberösterreich. Doch grenzt er gleich an fünf Länder: Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kosovo und Albanien. Im Westen erstreckt sich die Adria; mit der Unabhängigkeitserklärung Montenegros vor vier Jahren verlor Serbien denn auch seinen Meereszugang.
Es ist ein Land, das die meisten Westeuropäer kaum kennen. In ein paar Jahren aber könnte es bereits Teil der Europäischen Union sein. Denn diese Woche hat die EU-Kommission empfohlen, Montenegro den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu geben. Nach Kroatien, der Türkei, Mazedonien und Island wird es der fünfte Bewerber um eine Mitgliedschaft.
Schon im Vorjahr war die Freude groß, als die EU die Visumpflicht für Montenegriner für Reisen in die Union aufgehoben hat. Der Pass des Adria-Staates gewann sogleich an Wert. Und zwar so viel, dass die Regierung beschloss, Kapital daraus zu schlagen. Sie entschied, die montenegrinische Staatsbürgerschaft einfach zu verkaufen: Wer mindestens 500.000 Euro in dem Land investierte, konnte sich um einen Pass bemühen.
Die Idee stieß allerdings nicht auf unbegrenzte Begeisterung. Nicht nur Investoren, sondern auch Geldwäsche oder Mafiageschäften würde so die Tür geöffnet, befürchtete etwa die Opposition. Kurz vor der Entscheidung der EU-Kommission über den Kandidatenstatus suspendierte die Regierung in Podgorica ihren früheren Beschluss.
Davor spekulierten Medien immer wieder, wer denn solch ein Anwärter auf eine Staatsbürgerschaft sein könnte. Dabei wurden oft russische Oligarchen genannt: etwa Roman Abramowitsch oder Oleg Deripaska. Letzterer hat aber in Montenegro nicht nur investiert, sondern musste auch umgekehrt von Podgorica unterstützt werden.
So hat Deripaskas Aluminiumkonzern vor fünf Jahren Anteile am Aluminiumbetrieb KAP erworben - um 48,5 Millionen Euro. Doch die montenegrinische Regierung musste dem angeschlagenen Unternehmen immer wieder unter die Arme greifen: Sie tat dies mit insgesamt 135 Millionen Euro, etwa durch Staatsgarantien. Und vor wenigen Wochen hat sie die Hälfte der Deripaska-Anteile zurückübernommen.
Überhaupt treibe der Staat die Privatisierung zu wenig voran, kritisiert die Opposition. Doch noch schlimmer sei, lautet der Vorwurf auch mancher Bürgerinitiativen, dass die Regierung die Wirtschaft als die Tätigkeiten einiger befreundeter Familien begreife oder montenegrinisches Staatseigentum an Ausländer verscherble. Im Vorjahr floss rund eine Milliarde Euro an Direktinvestitionen ins Land.
Politisch geschadet haben Premier Milo Djukanovic diese Vorbehalte bisher kaum - ebenso wenig wie seine Verwicklungen in italienische Ermittlungen zu Zigarettenschmuggel. Seit fast 20 Jahren ist der Vorsitzende der Demokratischen Partei der Sozialisten in Montenegro an der Macht. So gut wie ununterbrochen war er in dieser Zeit entweder Minister- oder Staatspräsident. Doch offenbar bereitet er nun seinen frühzeitigen Rücktritt vor. Schon machen Spekulationen die Runde, Djukanovic könnte künftig als Vertreter Montenegros bei der Nato tätig sein. Auch diesem Bündnis möchte das Land beitreten. Kandidat ist es bereits.