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Nicht nur Al-Ahlis Geschichte zeigt, wie eng Fußball oft mit Politik verwoben ist.
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Kairo. Al-Ahli Kairo ist ein stolzer Verein. Es ist der größte und erfolgreichste Klub in Ägypten, der bereits 35 Meistertitel errang und dessen Anhängerschaft auf 50 Millionen Menschen geschätzt wird. Und in den Verein aus der Hauptstadt hat sich auch die Geschichte des Landes eingebrannt, die bereits im Namen zum Ausdruck kommt: Al-Ahli bedeutet so viel wie "National".
Schon während der britischen Kolonialherrschaft galt der 1907 gegründete Klub als Anlaufstelle für patriotische Ägypter und wurde zum Symbol des Kampfes gegen die fremden Besatzer. Und in der jüngsten Geschichte des Landes war der größte Fanklub von Al-Ahli, die Ultras, am Aufbegehren gegen Hosni Mubarak beteiligt. "Wir wollten keine Märtyrer sein, aber Ultras sind nun einmal anders als viele der anderen jungen wütenden Ägypter: Wir haben keine Angst vor der Polizei, denn schwingende Knüppel und Tränengas sind für uns nichts Neues. Es war ganz selbstverständlich, dass wir ganz vorne mit dabei waren, als die Menschen auf der Straße kämpften", sagte Ultra-Sprecher Amr Fahmy im Frühjahr 2011 dem deutschen Fußballmagazin "11 Freunde".
Nun stehen Al-Ahli und seine Anhänger durch die gewaltsamen Ausschreitungen im Stadion von Port Said mit mehr als 70 Toten erneut im Mittelpunkt. Der Gewaltausbruch könnte zum Symbol für tödliche politische Ränkespiele werden - es gibt ja Vermutungen, dass die Ultras von Al-Ahli Opfer einer Racheaktion der Polizei wurden oder dass der herrschende Militärrat seine Finger mit im Spiel hatte.
Die Geschichte von Al-Ahli und seinen Anhängern ist ein Beispiel dafür, wie eng der Fußball mit politischen Geschehnissen und Spannungen verbunden sein kann. Der Sport und die Tribünen des Stadions können zum Ausgangspunkt für subversive Aktionen werden. Gleichzeitig kann das Spiel auch von Regierungen instrumentalisiert werden, ihrem Machterhalt oder der Mobilisierung von Massen dienen. Historische Beispiele gibt es genügend.
Der Fußballkrieg
So stand ein Fußballspiel gar am Anfang eines Krieges. Nachdem El Salvador 1970 ein entscheidendes Qualifikationsmatch für die Fußballweltmeisterschaft gegen Honduras 3:2 gewonnen hatte, führten die beiden mittelamerikanischen Länder zwei Wochen später Krieg gegeneinander. Freilich ging es dabei um mehr als Fußball, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten waren schon lange angespannt.
Etwa 300.000 landlose Salvadorianer waren in den Jahren zuvor nach Honduras ausgewandert, um sich brachliegendes Land anzueignen. Sie waren den Großgrundbesitzern verhasst, auch viele ärmere Honduraner machten die Immigranten für ihre wirtschaftlichen Nöte verantwortlich und die Regierung hatte Pläne, die Einwanderer hinauszuwerfen. Nach der Fußballniederlage von Honduras gegen El Salvador wurden die Einwanderer durch die Straßen gejagt, es gab mehrere Todesopfer. Daraufhin griff El Salvadors Armee Honduras an. Der Krieg dauerte nur 100 Stunden und forderte etwa 2100 Todesopfer. Der polnische Autor Ryszard Kapuscinski, der den Krieg verfolgte, schrieb, dass der Fußball dazu beitrug, eine "hurrapatriotische Hysterie und chauvinistische Emotionen anzuheizen".
Opium für das Volk
Derartige Emotionen können aber nicht nur zur Mobilisierung dienen, sondern auch Regime festigen. So meinen nicht wenige politische Beobachter, dass der Militärdiktatur in Brasilien nichts Besseres passieren konnte als der Fußballweltmeistertitel des südamerikanischen Landes 1970. Die Nationalmannschaft sorgte für patriotische Begeisterung und schmückte das Regime, gleichzeitig war der Fußball Opium für das Volk und ließ viele Missstände vergessen.
Der Fußball kann aber auch Vehikel für Proteste sein, wie es sich nicht nur bei Al-Ahli in Ägypten offenbarte. Das zeigte sich auch während der Franco-Diktatur in Spanien. Real Madrid genoss das Wohlwollen von Franco - während der FC Barcelona zum Sinnbild des katalanischen Unabhängigkeitswillens wurde. Ein Sieg gegen Real Madrid wurde damit immer auch als symbolischer Triumph gegen das Franco-Regime gefeiert.
Der Fußball ist das Spielfeld verschiedenster Konfrontationen, - es geht etwa auch um Zentrum gegen Peripherie, um Arm gegen Reich. Die Meistertitel von Napoli in Italien in den 1980er Jahren wurden von den Anhängern als Sieg des armen Südens gegen den wohlhabenden Norden übersteigert. In Glasgow wiederum ist das Derby zwischen Celtic und Rangers auch ein Match zwischen Katholiken und Protestanten. Meistens geht es aber einfach nur um eine Rivalität zwischen Klubs und Fangruppen, ohne irgendeinen gesellschaftlichen Hintergrund. Woher die Rivalität auch rühren mag, sie dient oft den Medien als Futter. So wurde das tödliche Match zwischen Al-Masri aus Port Said und Al-Ahli Kairo in regionalen Zeitungen mit kriegerischen Tönen angekündigt.
Fußball-Tragödien
9. Mai 2001: Bei einem Fußballspiel in Ghana werfen verärgerte Fans Plastiksitze auf das Spielfeld. Als die Polizei Tränengasgranaten abfeuert, kommt es zu einer Massenpanik. Die Tore der Arena sind aber verschlossen. 126 Besucher werden totgetrampelt.
17. Oktober 1996: Vor dem WM-Qualifikationsspiel zwischen Guatemala und Costa Rica ist das 45.000 Zuschauer fassende Stadion bereits überfüllt. Dennoch versuchen weitere Fans einzudringen. 84 Menschen sterben.
15. April 1989: Im englischen Sheffield ereignet sich eine Katastrophe, als sich Fans kurz nach dem Beginn des Fußballspiels Liverpool-Nottingham Forest gewaltsam Zugang zum Stadion verschaffen wollen. 96 Menschen kommen um Leben.
29. Mai 1985: Während des Europapokal-Finales im Brüsseler Heysel-Stadion kommt es zu einer Schlägerei zwischen Fans der Fußballvereine Juventus Turin und Liverpool. 39 Menschen werden getötet, 600 weitere verletzt.