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Ärztekammerfunktionäre haben entschieden - die Bevölkerung hat sich daran zu halten. Warum es gewählte Politiker gibt? Keine Ahnung.
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Seine Zehen hat er im Stehen schon lange nicht mehr gesehen. Jetzt wird er seine linken, selbst wenn er abnimmt, nie wieder sehen können: die wurden amputiert. Wegen seiner Zuckerkrankheit, die er nie ernst genommen hat. Sein Arzt hat ihm zwar gesagt, dass er mit Diabetes nicht spielen darf, aber Schweinsbraten und Bier waren viel zu verführerisch.
Diabetes ist eine sehr trügerische Krankheit. Bei den meisten ist der Lebensstil hauptverantwortlich. Zu viel Essen mit zu wenig Bewegung ist Garant dafür, Diabetiker zu werden. Langsam entwickelt sich die Krankheit und schleichend, das macht die Behandlung schwierig. Am wichtigsten ist Früherkennung. Menschen, die zu dick sind und wenig Bewegung machen, sollten früh motiviert werden, ihren Lebensstil zu ändern. Gelingt das nicht und kann der Ausbruch der Krankheit nicht verhindert werden, dann sollte man die Patienten dazu bringen, ihre Krankheit ernst zu nehmen und spätestens jetzt den Lebensstil zu ändern. Gelingt das wieder nicht, dann ist es Aufgabe eines guten Gesundheitssystems, Folgeerkrankungen wie Amputationen, Erblindung, Nierenversagen, Schlaganfall oder Herzinfarkt mit engmaschigen Kontrollen und entsprechenden Therapien hintanzuhalten.
Da Diabetes eine langwierige Erkrankung ist, ist die wichtigste Herausforderung jedoch, den Patienten über viele Jahre nicht aus den Augen zu verlieren und zur Therapie zu motivieren. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Es gibt internationale Programme, die genau das im Fokus haben.
Auch Österreich hat sich - spät, aber doch - entschieden, ein solches Programm zu starten. Endlos wurde zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung verhandelt, am Ende gab es Einigkeit. Doch diese Einigkeit hat plötzlich ein Ende - in Niederösterreich. Dort hat sich der Vorstand der Ärztekammer mehrheitlich gegen die Fortführung des Programms ausgesprochen. Die Gründe sind hahnebüchen. Das Programm sei ein Eingriff in die Verhandlungshoheit und außerdem bringe es keine Verbesserung. Dass Patienten durch das Programm motiviert wurden, sich mehr zu bewegen und gesünder zu ernähren (die wichtigsten Therapiemaßnahmen bei Diabetes!), wird ebenso ignoriert wie die Tatsache, dass unnötige Amputationen, Erblindungen und lebenslange Dialysen vermieden werden könnten. Sogar innerhalb der Ärztekammer ist das nicht nachvollziehbar. Ändert aber nichts, der Vorstand hat entschieden, das Programm ist tot.
Das eigentlich Schlimme dabei ist, dass wirklich ein paar Funktionäre entscheiden können, was für die Bevölkerung gut ist. Man stelle sich vor, dass hinter den maßgeblichen Funktionären der Niederösterreichischen Ärztekammer gerade einmal 1400 Ärzte stehen - so viele Stimmen konnten sie bei der vergangenen Kammerwahl auf sich vereinigen. Und diese paar Funktionäre entscheiden, was für die 1,4 Millionen Niederösterreicher gut ist. Kein legitimierter Volksvertreter kann daran etwas ändern, ja nicht einmal die Kassen können es. Dass die Bevölkerung dank des Pflichtversicherungssystems nicht aussteigen und sich anderen, vernünftigeren Partnern zuwenden kann, ist nur mehr das Tüpfelchen auf dem I.
Es ist erschreckend, wie sich einige Sozialpartner mittlerweile aufführen und sich dabei vollkommen sicher fühlen können.
Warum ich eigentlich noch wählen gehen soll, das ist die Frage. Real entscheiden doch ohnehin Personen, die sich jedem Plebiszit entziehen?