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Der gefährlichste Busen der Welt

Von Markus Kauffmann

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Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Wir schreiben den 26. Dezember. Eine grauenhafte Sturmflut reißt alles Leben - Mensch wie Vieh - mit sich. Zwei Tage nach Heiligabend sterben an der Mündung der Jade 2500 Menschen.


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So geschehen vor fast zwölfhundert Jahren an der ostfriesischen Nordseeküste. Und wieder, im Jahre 1066, als die Normannen England eroberten, holte sich das Meer mit einer weiteren Großflut ein großes Stück Land. Im Februar 1164 ertranken 20.000 Marschen-Bewohner in der sogenannten Julianenflut.

Die Küstenlandschaft der ostfriesischen Marschen "offenbart den ewigen Streit der Natur in einer Gegend, in der es zweifelhaft ist, ob sie zum Land oder zum Meer gehört", schrieb schon um die Zeitenwende der

römische Gelehrte Plinius der Ältere.

Meist wurden die verheerenden Meereseinbrüche von Mönchen dokumentiert und wurden deshalb nach den Heiligen des Tages benannt. So forderte die Marcellus-Flut des Jahres 1219 nicht weniger als 36.000 Tote, die Lucia-Flut 1287 sogar 50.000 und die zweite Marcellus-Flut 1362 sogar 100.000. Letztere wurde auch "Grote Mandränke" genannt, die große Menschenertränkung.

Immer wieder züngelte das Meer, um von Land und Leuten tödlichen Besitz zu ergreifen, Chronisten zählten seit Christi Geburt rund 90 solcher Katastrophen; die Toten hat niemand gezählt.

"Friesisch herb" lautet ein Werbeslogan für ein Bier aus der Gegend, und wird ergänzt durch "wie das Land, so das Bier". Und in der Tat ist die Landschaft, die wir heute besuchen, eine herbe Schönheit. Sie liegt dort, wo das kleine Flüsschen Jade in die Nordsee mündet. Zwischen ihren großen Schwestern, der Ems im Westen und der Weser im Osten, fließt es auf ganzen 22 Kilometern Länge von Süd nach Nord, um im nach ihr benannten Jadebusen ins Meer zu münden.

So gefährlich sich dieses Meer in der Vergangenheit gebärdet hat, so wunderschöne Landschaften hat es im Lauf der Jahrhunderte geschaffen. Die für uns Binnen- und Alpenländler erstaunlichen Wechsel vom Watt zur Marsch, von der Geest zum Moor, durchzogen von Prielen und Sielen, gespickt mit Wurten und Warften - sie gehören längst zum Weltnaturerbe. Welteinmalig ist das "Schwimmende Moor", ein durch einen Deich vom Festland abgeschnittenes Moor, das bei Flut vom Meer unterspült wird und auf ihm schwimmt.

Jahrhunderte gehörte die Gegend dem Haus Oldenburg, bis am 20. Juli 1853 das aufstrebende Preußen, das noch keinen Nordseehafen besaß, dem Großherzog Nikolaus von Oldenburg den Jadebusen einfach abkaufte. 16 Jahre später wurde hier der erste deutsche Kriegshafen eröffnet, der heute noch der größte Standort der deutschen Marine ist. Die um den Hafen entstandene Siedlung nannte man nach dem damaligen Preußenkönig Wilhelmshaven - mit "v", nach gutem alten Brauch wie Bremer- oder Cuxhaven.

Die Stadt hat heute rund 81.000 Einwohner und zählt zur europäischen Metropolregion Bremen-Oldenburg. Nicht nur die Fähren nach Helgoland, nicht nur die Reize des Jadebusens ziehen Touristen hierher, sondern auch eine Reihe sehenswerter kultureller Attraktionen. Bedingt durch die Lage finden sich hier zum Beispiel das 1998 eröffnete Deutsche Marinemuseum, in der ehemaligen Scheibenhofwerkstatt, dem Torpedohof der Kaiserlichen Werft. Auf dem großen Freigelände am Verbindungshafen sind unter anderem ein Minenjagdboot, ein Lenkwaffenzerstörer und ein U-Boot zu sehen.

Gegenüber befindet sich das Wattenmeerhaus. Das Küstenmuseum Wilhelmshaven vermittelt alles über die Geschichte des Küstenraumes und Wilhelmshavens. Eine Sonderausstellung zeigt das 14 Meter lange Skelett sowie die plastinierten Organe eines Pottwals, der 1994 gestrandet war.