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"Der gefährlichste Ort der Welt"

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Für die US-Regierung war die Krise in Pakistan der erste große diplomatische Praxistest. | Außenministerin Hillary Clinton half, die Pakistani vom Rand des Abgrunds wegzulotsen.


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Vor einigen Wochen ist es in Pakistan beinahe zu einem politischen Zusammenbruch gekommen, was leicht einen Militärputsch auslösen hätte können. Wie sich die Krise entwickelte und wie sie letztlich abgewendet werden konnte, wirft ein Licht auf die Verhältnisse in Pakistan, dessen Grenzregion US-Präsident Barack Obama kürzlich als "den gefährlichsten Ort der Welt" beschrieben hat.

Genaueres über diese Ereignisse war vorige Woche zu erfahren, als der US-Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan Richard Holbrooke und US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen Islamabad besuchten. Wie sowohl von pakistanischer als auch von US-Seite zu hören war, ging es um eine äußerst knappe Sache, ein Spiel mit dem Feuer, beigelegt letztlich erst mit Hilfe der US-Regierung.

Die Demokratie in Pakistan stand auf dem Spiel. Verbündete von Präsident Asif Ali Zardari hatten versucht, seinen politischen Gegner, den früheren Premierminister Nawaz Sharif, auszuschalten. Die Opposition ging auf die Straße und schloss sich dem langen Marsch nach Islamabad an, um die Wiedereinsetzung des abgesetzten Justizchefs Iftikhar Chaudhry zu verlangen. Die Demonstration drohte in eine gewaltsame Straßenschlacht auszuarten, die den pakistanischen Armeestabschef General Ashfaq Kiyani zum Eingreifen gezwungen hätte.

Die Auseinandersetzung zeigte, wie instabil die politische Lage in Pakistan ist. Sie zeigte aber auch, dass nach einigen anfänglichen Fehlern die drei Hauptakteure - Zardari, Sharif und Kiyani - durchaus in der Lage waren, die Krise zu bewältigen. Die Lektion, die nervöse Pakistan-Beobachter daraus lernten, ist: Wie schwach die politischen Führer in Pakistan auch scheinen mögen, auf Selbstmord sind sie nicht aus.

"Ich glaube, die pakistanischen Politiker werden erwachsen. Sie beginnen zu verstehen, dass man auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen muss, oder man ist draußen", sagt Shuja Nawaz, Autor von "Crossed Swords", einer Untersuchung des pakistanischen Militärs.

Für die US-Regierung war die Krise in Pakistan der erste große diplomatische Praxistest. Außenministerin Hillary Clinton half, unterstützt von Holbrooke und Mullen, die Pakistani vom Rande des Abgrunds wegzulotsen. Gehandhabt wurde diese Intervention zwar sehr geschickt, aber sie vertiefte auch die Verwicklung der USA in die pakistanische Politik: Das ist ein Prozess, der eine gefährliche Anti-USA-Reaktion erzeugt.

Während der Krise, die bereits Ende Februar begann, machten Clinton und Holbrooke in Telefongesprächen mit Zardari und Sharif Druck in Richtung Kompromiss. Pakistanischen Quellen zufolge sollen US-Regierungsbeamte Sharif signalisiert haben, dass die USA nichts dagegen hätten, wenn er eines Tages Präsident oder Premierminister werden würde. Ein anderer wichtiger Vermittler war der britische Außenminister David Miliband, der auf Gespräche mit Sharif drängte.

Der Besuch von Holbrooke und Mullen letzte Woche bekräftigte den Deal. Sie sprachen mit den Hauptakteuren und verließen sie in der Hoffnung, dass die drei, statt ihrer bisherigen politischen Streitereien, gemeinsam eine starke Front gegen die aufständischen Taliban in den westlichen Grenzgebieten bilden könnten. Husain Haqqani, der pakistanische Botschafter in Washington, lobte Holbrookes Diplomatie: "Er lässt Hoffnung aufkommen, dass auch komplexe Probleme eines Tages gelöst werden."

Zardari steht nun als Verlierer da, und Sharif und Premierminister Yousaf Raza Gilani als Gewinner. Entscheidend war aber die Rolle Kiyanis, der es schaffte, die Krise ohne Militäreinsatz beizulegen.

Übersetzung: Redaktion