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"Der geförderte Wohnbau ist rückläufig"

Von Nina Flori

Politik
Baudirektorin Brigitte Jilka.
© Birgit Gantner

Die Baudirektorin Brigitte Jilka spricht im Interview über billiges Geld und wie gemeinnütziges Bauträger an Grundstücke kommen.


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Wien. Nicht nur Anleger, auch der Zuzug der Menschen treibt die Quadratmeterpreise in Wien in die Höhe. 800 Euro kostet ein Quadratmeter Grund im Schnitt. Flächen in guten Lagen liegen sogar bei 1200 Euro. Die Baudirektorin der Stadt Wien, Brigitte Jilka, spricht im Interview mit der "Wiener Zeitung" über die Schwierigkeit, Infrastruktur und Wohnraum zu schaffen, neue Stadtteile und die Bedeutung des geförderten Wohnbaus.

"Wiener Zeitung":Wie viel Prozent der neu errichteten Wohnungen werden zurzeit im geförderten Bereich gebaut?Brigitte Jilka: Grob kann man sagen, dass 60 bis 70 Prozent aller Wohnbauprojekte gemeinnützig errichtet werden. Die Tendenz ist allerdings rückläufig. Denn Bankengeld ist im Moment sehr günstig. Wenn sich Bauträger nicht den qualitätssichernden Verfahren der Wohnbauförderung unterziehen müssen, sind sie in der Umsetzung schneller und zudem nicht an Preisvorgaben der Stadt gebunden.

Aufgrund der hohen Grundstückspreise ist es für gemeinnützige Bauträger schwierig, Grundstücke zu finden, die erschwinglich sind. Was unternimmt die Stadt dagegen?

Der Wiener Wohnfonds hat immer wieder die Gelegenheit, Grundstücke langfristig anzukaufen. Sie werden an gemeinnützige Bauträger zu sehr vernünftigen Preisen weitergegeben. Die andere Möglichkeit geht über die Masse. In Bereichen, in denen die Preise recht hoch sind, besteht die Möglichkeit, Gebäude in einen geförderten und einen nicht geförderten Bereich zu teilen. Über ausgeklügelte Rechenmodelle kann man so einen Anteil an förderbaren Wohnungen heraus rechnen. Das wird aber immer schwieriger.

Wie viele gemeinnützige Wohnungen werden zurzeit errichtet?

Wir liegen im Moment bei 6000 bis 7000 Wohnungen pro Jahr. Diese Bautätigkeit müssen wir aufrechterhalten, um nicht Verhältnisse wie etwa in München zu bekommen.

Schätzungen zufolge gibt es in Wien für die nächsten 15 Jahre genug Flächen, um neuen Wohnraum zu schaffen. Was passiert danach?

Derzeit rechnen wir damit, dass wir in mittlerer Zukunft wieder zu einem sehr moderaten Wachstum zurückkehren. Hinzu kommt, dass eine international sehr anerkannte Millionenstadt sehr viel Fluktuation hat. Es kommen zwar sehr viele neue Leute, es gehen aber auch wieder viele. Je mehr internationale Einrichtungen wir haben, desto mehr kommt es dazu. Ich bin absolut optimistisch, dass wir langfristig in der Lage sein werden, die Menschen zu behausen.

Die Seestadt Aspern, das Nordbahnhofgelände und das Gelände des ehemaligen Südbahnhofes sind zurzeit die Großbaustellen der Stadt. Der vordere Teil des Südbahnhofes steht oft in der Kritik, abends unbelebt zu sein, weil sich nur Büros dort befinden.

Ich habe mir das selbst angeschaut und war positiv überrascht, wie gut das Umfeld des Erste Campus auch am Abend funktioniert. Dort arbeiten ja nicht alle Menschen von 9 bis 17 Uhr. Manche sind auch bis 21 Uhr dort, dadurch ist das Viertel länger belebt. Natürlich wird es, wenn die restlichen Viertel gebaut sind, noch belebter.

In einer Studie zum Sonnwendviertel auf dem Gelände des ehemaligen Südbahnhofes gaben mehr als 80 Prozent der Bewohner an, dass es zu wenige Geschäfte und Lokale in den Erdgeschoßzonen gibt. Hat hier die Planung versagt?

Das Viertel ist erst zu einem Teil fertiggestellt. Je mehr Menschen dort sind, desto größer wird das Angebot vom Handel sein, sich dort niederzulassen. Stadtplanung ist dafür da, die Voraussetzungen für belebte Erdgeschosszonen zu schaffen, also etwa dafür zu sorgen, dass die Raumhöhen hoch genug sind. Wir sind die baulichen Ermöglicher. Das heißt aber noch nicht, dass zum Beispiel der Handel das tatsächlich annimmt.

Auf dem Gelände neben der Marx-Halle im 3. Bezirk ist eine Mischung aus Wohnen und Büros geplant. Kritiker meinen, es gebe in Wien bereits einen relativ großen Büroleerstand und wer wolle direkt neben Süd-Ost-Tangente wohnen?

Derzeit gibt es noch keinen neuen Flächenwidmungsplan, man knetet die Sache noch. Letztendlich wird dort aber eine vernünftige Mischung zustande kommen. Man wird die Wohnungen nicht direkt neben der Tangente hinbauen, sondern dafür sorgen, dass Gebäude direkt an der Tangente den dahinter liegenden Wohnungen einen gewissen Schutz bieten. Und zur Büroentwicklung: Diese ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Wir hatten Zeiten, in denen wir ein sehr üppiges Angebot hatten und dann hat der Markt wieder angezogen. Vom Beginn des Gedankens bis zu dem Zeitpunkt, an dem tatsächlich jemand einziehen kann, vergehen sieben Jahre. Eine Millionenstadt wie Wien sollte vielfältigste Angebote haben.

Um sich nicht weiter zu verschulden, setzt die Stadt bei der Finanzierung von Infrastruktur auf Public-Private-Partnership--Modelle (PPP). Wie viele Projekte werden zurzeit so finanziert?

Derzeit werden nur große Bildungsbauprojekte mit PPP finanziert. Wir haben zehn Stück in zehn Jahren im Programm. Drei sind bereits durch PPP finanziert, sechs sind noch nicht in Umsetzung. Es wird von Mal zu Mal geschaut, ob die Finanzierung aus dem laufenden Haushalt möglich ist. In den nächsten Jahren müssen wir diese Projekte aber sicher weiter über PPP finanzieren, weil wir den Stabilitätspakt ansonsten nicht einhalten. PPP ist natürlich keine billige Finanzierung. Deshalb wollen wir auch erreichen, dass Investitionen in Infrastruktur aus der Verschuldung herausgerechnet werden dürfen.