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Der genetische Schlüssel zum Ozean

Von Kurt de Swaaf

Wissen

Die spannende Entwicklung der Saurier von Land- zu Meeresbewohnern. | Forscher spricht von biologischem Quantensprung. | Heidelberg. Das Tethys-Meer vor rund 200 Millionen Jahren: Das Wasser ist voller Leben, überall wimmelt Getier. Am beeindruckendsten sind die zahlreichen Meeresreptilien. Die meisten von ihnen machen Jagd auf Fische und Wirbellose oder auf kleinere Verwandte. Bis zum Ende des Trias-Zeitalters hat die Evolution eine erstaunliche Fülle solcher Kreaturen hervorgebracht, darunter auch den gewaltigen Shonisaurus, ein Riese von mehr als 20 Metern Länge.


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Vor allem die delphin-ähnlichen Ichthyosaurier erweisen sich als Erfolgsmodell. Etwa 150 Millionen Jahre lang bewohnen sie die damaligen Weltmeere. An ihrem Körperbau ändert sich während dieses Zeitraums kaum etwas. Die Entwicklung der Meeressaurier und deren verblüffender Artenreichtum werfen der Wissenschaft allerdings einige schwierige Fragen auf: Wie zum Beispiel konnten sich die ursprünglich landlebenden, wechselwarmen Urechsen so vollständig an das Leben im offenen Ozean anpassen?

Beginn: Umstellung derGeschlechtsbestimmung

Ein US-amerikanisches-britisches Forscherteam scheint nun den Schlüssel zu diesem Erfolg gefunden zu haben. Mittels eines neuen abstammungsmathematischen Modells gelang es den Experten, die genetischen Ursprünge zweier wichtiger biologischer Eigenschaften aufzuzeichnen: die genetische Geschlechtsbestimmung und die Viviparie - das Lebendgebären. Das Ergebnis der Studie wurde kürzlich im Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlicht.

In Gegensatz zu Säugern und Vögeln wird das Geschlecht bei den meisten Reptilien-Arten nicht durch Geschlechtschromosomen wie X und Y bestimmt, sondern durch Umweltfaktoren. Meistens entscheidet die vorherrschende Temperatur während der Entwicklung der Eier darüber, ob Männchen oder Weibchen schlüpfen.

Am Anfang der Meeressaurier-Evolution muss laut der neuen Studie die Umstellung von temperaturabhängiger Geschlechtsbestimmung (TGB) auf genetische Geschlechtsbestimmung (GGB) erfolgt sein. "Der Vorteil war wohl, dass dadurch diese Reptilien das Wasser gar nicht mehr zu verlassen brauchten", erklärt Dan Janes, Zoologe an der Harvard University und Co-Autor der "Nature"-Publikation, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Sehr gutes Beispiel für einen Evolutionsprozess

Dank GGB entfiel die Notwendigkeit, Nester an mikroklimatisch günstigen Stellen zu bauen. Stattdessen konnten die Eier länger im Mutterleib verbleiben, was gewiss auch einen höheren Schutz gewährte. Im Anschluss entwickelte sich die Viviparie. Aus mehr oder weniger amphibisch lebenden Tieren wurden so echte Hochseebewohner, denen sich fernab der Küsten neue ökologische Nischen eröffneten. Ein biologischer Quantensprung. "Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Darwinsche Evolution und die erste Beschreibung eines solchen Evolutionsprozesses auf Genom-Niveau", sagt Dan Janes.

Die Anpassung an das Leben im Ozean führte zu der rapiden Entwicklung weiterer Besonderheiten wie Fluken und Veränderungen im Knochenbau. Junge Ichthyosaurier verließen bei der Geburt sogar mit dem Schwanz zuerst den Mutterleib, so wie heutzutage auch Walkälber zur Welt kommen. Bei modernen Reptilien lässt sich die Kombination von GGB und Viviparie übrigens noch bei Meeresschlangen der Unterfamilie Hydrophiinae beobachten. Sie haben diese Eigenschaften unabhängig von den Sauriern entwickelt.