Zum Hauptinhalt springen

Der gestrauchelte Überlebenskünstler

Von Ronald Schönhuber

Politik

Jacob Zuma war einst die Hoffnung des kleinen Mannes. Doch seine Regierung war von Korruption überschattet


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Pretoria/Wien. Der 5. Dezember 2013 markierte eine Zäsur in Südafrika. Denn mit Nelson Mandela, der an diesem Tag gestorben ist, hat das Land nicht nur den ersten Präsidenten der Post-Apartheid-Ära verloren. Der Friedensnobelpreisträger, der von vielen nur Madiba genannt wurde, galt auch knapp 15 Jahre nach seinem Rücktritt als Staatsoberhaupt als wichtigste moralische Instanz und Kompass Südafrikas. Jeder Politiker musste sich implizit der Frage stellen, ob seine Vorhaben im Einklang mit Mandelas Vision einer Regenbogennation stehen, in der die alten Gräben zugeschüttet werden und Hautfarbe, Herkunft und Stand keine Rolle mehr spielen.

Das Unbehagen, dass nach dem Tod des großen alten Mannes alles auseinanderfallen könnte, war schon damals am Kap spürbar. Denn Jacob Zuma, der 2009 zum Präsidenten gewählt worden war und dessen Ära nun bei dem am Wochenende beginnenden Parteitag zu Ende geht, trauten zu diesem Zeitpunkt nur noch wenige in Südafrika zu, das Erbe Mandelas fortzuführen. Zu sehr hatten diverse Korruptionsvorwürfe und vor allem die Nkandla-Affäre sein Ansehen beschädigt.

In den Ausbau von Nkandla, Zumas privatem Anwesen in der wildromantischen Provinz KwaZulu-Natal, waren mehr als 15 Millionen Euro an Steuergeld geflossen. Neben einem Amphitheater und vielen anderen Dingen, die das Leben schöner machen, bekam Nkandla auch einen großzügigen Pool, der in den Einreichplänen allerdings als sicherheitsrelevanter Löschteich getarnt wurde. Erst als das Verfassungsgericht 2016 beschied, dass sich der Präsident über Recht und Gesetz hinweggesetzt hatte, zahlte Zuma 500.000 Euro zurück.

Selbstbedienung beim Staat

Der Nkandla-Skandal, der vor allem bei den Ärmsten in Südafrika zum Symbol dafür geworden ist, wie weit sich die Regierungspartei ANC unter Zuma von Mandelas Idealen entfernt hat, erscheint im Rückblick aber fast schon als Lappalie. Denn in der seit einigen Monaten unaufhaltsam und mit vielen Details hochkochenden Affäre um die mittlerweile berühmt-berüchtigten Gupta-Brüder geht es noch um deutlich mehr als die Verwendung von Steuergeld für die Privatvilla des Präsidenten. So soll Zuma maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, ein korruptes Beziehungsnetzwerk in Ministerien, Regierungsstellen und staatsnahen Unternehmen zu etablieren, mit dessen Hilfe die drei indischstämmigen Geschäftsmänner den südafrikanischen Staat zu einem gigantischen Selbstbedienungsladen gemacht haben. Fast 1,9 Milliarden Euro sollen Ajay, Rajesh und Atul Gupta laut den Ermittlern mit Staatsaufträgen, Förderungen und Provisionen für Geschäftsanbahnungen verdient haben.

Die umfassende Aushöhlung des Staates - mit dem englischen Wort "state capture" gibt es in Südafrika sogar schon einen eigenen Begriff dafür - haben die Guptas dabei über Jahre hinweg systematisch betrieben. So hatten die Guptas, die sich nach dem Ende der Apartheid in Südafrika niederließen und rasch eine Firma für Billigcomputer aufbauten, bereits Mitte der 1990er Jahren erste Verbindungen zum ANC geknüpft. Der ANC-Aktivist Essop Pahad stellte die Brüder damals sowohl dem späteren Präsidenten Thabo Mbeki als auch Zuma vor, der schon zu dieser Zeit als politischer Überlebenskünstler galt, der trotz zahlreicher Korruptionsanschuldigungen und eines Prozesses wegen Vergewaltigungsvorwürfen immer wieder seinen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. Als Zuma im Jahr 2009 Mbeki unerwartet vom Parteivorsitz verdrängen konnte, intensivierte sich auch die Beziehung zu den Guptas noch einmal deutlich. Zumas Sohn Duduzane, der bereits zum Direktor in der Computerfirma der Brüder aufgestiegen war, erwarb auch Anteile an dem Unternehmen. Auch andere Mitglieder des Zuma-Clans kamen im stetig wachsenden Firmenkonglomerat der Guptas unter.

Laut den Recherchen der "Finacial Times" revanchierte sich Zuma schon kurze Zeit später für die Gefälligkeiten. So drängte der Präsident seinen damaligen Pressechef Themba Maseko im Jahr 2010 zu einem Gespräch mit den Guptas, die ihn bei dieser Gelegenheit mit einer mit Nachdruck vorgetragenen Forderung konfrontierten. Maseko sollte das gesamte Werbebudget der Regierung in Höhe von 37,6 Millionen Euro der Zeitung und dem TV-Sender zukommen lassen, die die Guptas schon bald aus der Taufe heben wollten. Maseko lehnte ab und wurde einige Monate später von Zuma gefeuert.

Eine Tasche für die Millionen

Dass man sich besser nicht gegen Zuma und die mittlerweile zu den reichsten und mächtigsten Männern Südafrikas aufgestiegenen Guptas stellt, musste 2015 auch Finanzminister Nhlanhe Nene erfahren. Dessen Stellvertreter, Mcebisi Jonas, war 2015 in die Villa der Guptas am Saxon Drive Nummer 5 eingeladen worden, wo ihm laut eigener Aussage ein unmoralisches Angebot von der Brüder unterbreitet wurde. Jonas sollte an Stelle des international respektierten, aber durchaus eigensinnigen Nene Finanzminister werden, wenn er bereit sei, beim Personal einige Änderungen vorzunehmen. Als Draufgabe sollen die Gutpas dem Vize-Finanzminister knapp 37 Millionen Euro versprochen haben, die er gleich mitnehmen könne, falls er eine Tasche dabei habe, die groß genug wäre. Jonas lehnte entsetzt ab, sein Chef wurde von Zuma aber kurze Zeit später gefeuert.

Laut einem E-Mail-Konvolut, das von Enthüllungsjournalisten unter dem Titel "Gupta-Leaks" veröffentlicht wurde, dürften die Affären um Maseko und Nene allerdings nur die Spitze des Eisbergs gewesen sein. So zeigen die Dokumente, dass die Guptas fast überall, wo der Staat etwas zu vergeben hatte, kräftig mitschnitten. Als die staatliche Eisenbahngesellschaft Transnet 550 Lokomotiven in China kaufte, sollen 360 Millionen Euro als Provision an Gupta-Firmen geflossen sein. Ein Vertrauter der Brüder soll zudem auch einen ominösen, aber für die Käufer sehr vorteilhaften Kohlemine-Deal eingefädelt haben, von dem vor allem eine Gupta-Firma profitierte, an der Zumas Sohn Duduzane laut "Financial Times" einen 28,5-Prozent-Anteil hält.

Dass sich in Zumas Amtszeit eine korrupte Clique schamlos bereichern konnte, wiegt aber nicht nur aus moralischen Gründen schwer. Denn neben dem nachhaltigen Vertrauensverlust der Bürger in die Institutionen hat die den ganzen Staat durchdringende Korruption auch ganz unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Menschen. All das Geld, das sich Männer wie die Guptas zugeschanzt haben, wird an anderen Stellen nämlich nach wie vor dringend gebraucht.

Denn in den acht Jahren unter Zuma sind die wirtschaftlichen und sozialen Probleme im Land trotz einiger Erfolge wie etwa bei der Bekämpfung von Aids eher größer als kleiner geworden. "Vor allem die soziale Ungleichheit ist in Südafrika nach wie vor sehr hoch", sagt Melanie Müller, Südafrika-Expertin der Stiftung für Wissenschaft und Politik, gegenüber der "Wiener Zeitung". "Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Und 13,8 der 55 Millionen Südafrikaner leben sogar mit weniger als 30 Euro pro Monat." Und vor allem in den ländlichen Provinzen würden Gelder dort kaum ankommen, wo sie ankommen sollten.

Keine Jobs für die Jungen

Kaum Fortschritte gab es unter Zuma, der sich ideologisch selten festlegt und oft übergangslos zwischen neoliberalen und linken Positionen changiert, auch am Arbeitsmarkt und bei der Diversifizierung der Wirtschaft. 40 Prozent der Schwarzen sind ohne Job, ebenso jeder zweite junge Mensch. Der Abbau von Rohstoffen ist nach wie vor einer der wichtigsten Wachstumsfaktoren, die Landreform, die die Dominanz der Weißen in der Landwirtschaft beenden sollte, gilt als gescheitert. Und auch der Versuch der Regierung, mit einem komplizierten Quoten-Programm Wirtschaft, Behörden und Institutionen dazu zu bringen, mehr Schwarze in gehobene Positionen zu bringen, war wenig erfolgreich.

Dabei war der heute 75-Jährige, der sich nach dem Ende seiner Amtszeit wegen des Guptas-Skandals und anderer Korruptionsvorwürfe vor Gericht wiederfinden könnte, dank seiner leutseligen und charismatischen Art einst die Hoffnung des kleines Mannes gewesen. Bei seinen Begegnungen mit den Menschen konnte Zuma nicht nur gut zuhören, er sprach auch die Sprache des Volkes. Dabei war sich Zuma stets bewusst, welche Probleme seine Landsleute am meisten bedrängen. So versprach Zuma, der als Hirtenbub aufwuchs und selbst nie eine formale Schulbildung genoss, bei seinem Amtsantritt vor allem Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, um das Los der Ärmsten zu erleichtern.