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Der ukrainische Oligarch Rinat Achmetow könnte der große Verlierer des Ukraine-Konflikts werden.
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Kiew. Die Zeichen in der Ukraine stehen - spätestens nach der Vereidigung autonom gewählter Präsidenten in den abtrünnigen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk - auf Trennung: Die Regierung in Kiew setzt ihre Budgetzahlungen an die von Separatisten kontrollierten Gebiete vorerst aus. "Wenn ein Teil der Regionen Donezk und Luhansk von Betrügern kontrolliert wird, wird die Regierung kein Geld mehr in dieses Gebiet schicken", sagte Premierminister Arseni Jazenjuk. Die Gas- und Stromlieferungen würden wegen des nahenden Winters zwar nicht eingestellt, um eine "humanitäre Katastrophe" zu vermeiden. Sozialhilfe werde aber erst wieder an die Bewohner der Rebellengebiete im Osten des Landes überwiesen, wenn sich die Separatisten zurückgezogen hätten.
Es sieht nicht so aus, als würde der derzeit eingefrorene Ukraine-Konflikt in absehbarer Zeit gelöst werden. Darunter dürfte vor allem auch ein Mann leiden, der stets wesentlichen Einfluss auf die ukrainische Politik besaß: Rinat Achmetow. Der Stahlmagnat aus Donezk galt lange als der einflussreichste Oligarch des Landes, als der Mann, dessen Geschäftsclan nicht nur die ukrainische Wirtschaft beherrschte, sondern der - vor allem in der Zeit von Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch - auch wesentlichen Einfluss auf die politischen Geschicke des Landes besaß. Der gebürtige Tatare stützte den Aufstieg Janukowitschs zum Staatschef als Financier. Nach dessen Sturz durch die "Euromaidan"-Bewegung im Februar stand der 48-Jährige - obwohl er zuletzt mit Janukowitschs Umfeld, der "Familie", vermehrt in Konflikt geriet - als Vertreter des oligarchischen Donezker Systems im Fokus der Kritik.
Mittlerweile lebt Achmetow, der immer noch der reichste Ukrainer sein soll, nicht mehr in Donezk, sondern in Kiew und lenkt von dort seine Firmen. Der lange dominierende Oligarch hat im ukrainischen Kräftespiel an Macht eingebüßt. "Achmetow und der gesamte Donezker Clan haben durch die aktuellen Ereignisse an Einfluss verloren, andere Oligarchen - wie der Gouverneur von Dnipropetrowsk, Ihor Kolomojski - haben gewonnen", sagte Steffen Halling von der Berliner Stifung Wissenschaft und Politik (SWP) der "Wiener Zeitung". Kolomojski, bekannt für seine rauen Geschäftsmethoden, hat sich in dem aktuellen Konflikt von Anfang an energisch prowestlich positioniert und landete damit wie Präsident Petro Poroschenko, dem selbst ein großes Firmengeflecht gehört, oder der mit Poroschenko verbundene Wiktor Pintschuk auf der Gewinnerseite.
Gute Kontakte zu Rebellen?
Achmetow, der seinen Schwerpunkt im umkämpften Krisengebiet Donbass hat, tat sich da schwerer. Zwar bezahlte er im Mai seine Stahlarbeiter dafür, dass sie gegen die Separatisten vorgehen. Dennoch wollen bis heute die Stimmen nicht verstummen, wonach der mächtige Oligarch auch gute Kontakte zu maßgeblichen Rebellen hat. "Achmetow kam anfangs unter Druck der Separatisten, die drohten, seine Betriebe zu nationalisieren, falls er seine Steuern weiter in Kiew und nicht an die Machthaber vor Ort bezahlt", sagt Halling. "Das ist aber bislang nicht eingetreten. Manche munkeln deshalb, dass sich Achmetow mit den Rebellen arrangiert hat."
Ein de facto unabhängiger Donbass könnte Achmetows Karten in Kiew jedenfalls verschlechtern: Dem Oligarchen gehören schließlich nicht nur Betriebe in der östlichen Industrieregion, sondern in der ganzen Ukraine, etwa im Telekomsektor. Die langjährige Dominanz der Donezker in Kiew ist jedenfalls vorbei - derzeit haben jene Wirtschafts- und Politikeliten wieder die Oberhand, die traditionell mit der ukrainischen Industriemetropole Dnipropetrowsk verbunden sind. Aus der von Kolomojski regierten Stadt am Dnjepr stammten sowohl Ex-Präsident Leonid Kutschma als auch die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko.
Trotz der jüngsten Verschärfung der Lage in der Ukraine - auch die Kämpfe um den Flughafen von Donezk ebben nicht ab, ein Zivilist starb - scheint die Gas-Einigung zwischen Russland und der Ukraine zu halten: Kiew hat am Mittwoch 1,45 Milliarden US-Dollar als Teil der Schuldentilgung an Russland überwiesen. Sergej Kuprijanow, der Sprecher der russischen Gazprom, kündigte daraufhin die Wiederaufnahme der Gas-Lieferungen an das Nachbarland binnen 48 Stunden nach Eingang des Geldes an.
Sanktionen bleiben aufrecht
Die EU-Sanktionen gegen Russland werden deshalb aber nicht aufgehoben: Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, dass die Strafmaßnahmen bis auf Weiteres aufrecht blieben. Er kündigte an, seine erste Reise außerhalb der EU werde ihn in die Ukraine führen. "Ich habe vor Wochen dem ukrainischen Präsidenten versprochen, dass ich meine erste bilaterale Reise außerhalb der Europäischen Union zu ihm machen werde", berichtete der Luxemburger.