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Der Gipfel der kleinen Erwartungen

Von Ronald Schönhuber

Politik
In Kopenhagen (Bild) gingen die Emotionen noch hoch. Von Cancun wird hingegen wenig erwartet. Foto: ap

Der Beschluss eines Kyoto-Nachfolgers scheint in Cancun aussichtslos. | Bilaterale Abkommen und G20 könnten träge UN-Architektur ablösen. | Wien. Kopenhagen, das war im Dezember 2009 die Welt. Mehr als 100 Staats- und Regierungschefs und rund 15.000 Delegierten waren damals in die dänischen Hauptstadt gereist, um nicht weniger zu tun, als das Weltklima zu retten. Zeitungen berichteten während der knapp zweiwöchigen Beratungen auf seitenlangen Sonderstrecken über den Fortgang der Ereignisse, und vor dem Bella Center kam es regelmäßig zu Demonstrationen von zehntausenden Klima-Aktivisten.


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"Die Uhr ist abgelaufen" und "die Klimazeche muss endlich bezahlt werden" war damals allerorts zu hören.

Doch die großen Hoffnungen auf eine Nachfolgeregelung für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll wurden bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen nicht erfüllt. Nach chaotischen Verhandlungsnächten, die unter anderem den Rücktritt der Konferenzvorsitzenden Connie Hedegaard mit sich brachten, gebar der kreißende Berg ein Mäuslein. Statt auf konkrete und verbindliche Emissionsreduktionsziele für die Zeit nach 2012 einigte man sich lediglich auf eine unverbindliche Erklärung, die globale Erwärmung auf zwei Grad begrenzen zu wollen. Für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel versprachen die Industriestaaten den Entwicklungsländern zudem 30 Milliarden Dollar für die nächsten drei Jahre. Ab 2020 sollen dann 100 Milliarden Dollar pro Jahr zur Verfügung gestellt werden.

Knapp ein Jahr nach dem spektakulären Scheitern von Kopenhagen steht nun wieder eine Weltklimakonferenz an. Vom 29. November bis 10. Dezember trifft sich der Tross der internationalen Klimaverhandler im mexikanischen Ferienparadies Cancun. Doch von großen Erwartungen will diesmal niemand mehr reden. "Es ist nicht abzusehen, dass wir uns in Cancun in Richtung eines Kyoto-Nachfolgeabkommens bewegen", sagt der Ökonom und Klima-Experte Stefan Schleicher.

Denn die Ausgangslage ist ähnlich festgefahren wie vor einem Jahr. Die Entwicklungs- und Schwellenländer fordern von den Industriestaaten eine massive Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes, da diese für den Großteil der CO2-Emissionen seit Beginn der industriellen Revolution verantwortlich sind. Im Gegenzug pochen die reichen Länder darauf, dass die Entwicklungsländer, und da vor allem die großen Emittenten China und Indien, eine Begrenzung ihres Treibhausgasausstoßes verbindlich zusagen.

USA innenpolitisch gelähmt

Doch im Gegensatz zu Kopenhagen gibt es diesmal keine Hoffnung, dass die USA durch wesentliche Zugeständnisse bei der eigenen Emissionsreduktion für Bewegung bei China und Indien sorgen könnten. "Die USA sind hier innenpolitisch nicht entscheidungsfähig und das haben die Wahlen von Anfang November noch zementiert", sagt Schleicher. Denn durch den Erfolg der traditionell klimaschutzskeptischen Republikaner gebe es für Präsident Barack Obama nun keine Möglichkeit, einen Konsens in dieser Sache zu erzielen. Vielfach wird sogar bereits daran gezweifelt, dass die USA ihre bisher gemachten Zusagen über eine Emissionsreduktion von 17 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 noch einhalten können.

Nach dem Scheitern von Kopenhagen hat zudem auch die EU, lange Zeit globaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz, den Schwung verloren. Zwar gilt das ambitionierte Ziel einer zwanzigprozentigen Emissionsreduktion gegenüber 1990 nach wie vor, doch auf Grund des zunehmenden Drucks der Industrie und einiger Mitgliedsstaaten sind die Europäer zögerlicher geworden, was weitere Zugeständnisse anbelangt. Für Schleicher stellt das Treffen in Mexiko angesichts dieser Ausgangslage daher vor allem ein Ordnen des Scherbenhaufens nach Kopenhagen und eine Bestandsaufnahme dar, bei der die offenen Probleme nochmals auf den Tisch gelegt und diskutiert werden.

Immerhin einige Teilabkommen könnten in Cancun aber dennoch beschlossen werden. Große Erfolgschancen werden dabei vor allem einer Vereinbarung eingeräumt, die den Entwicklungsländern finanziell und organisatorisch beim Waldschutz hilft. Laut der UNO gehen 17 Prozent der Treibhausgase auf die großflächige Zerstörung der Wälder zurück, die dadurch auch ihre Fähigkeit zur CO2-Absorption verlieren. Auch bei den Anpassungshilfen für die Folgen des Klimawandels und deren Finanzierung könnte es Fortschritte geben. Bisher ist nämlich nicht geklärt, woher jene 100 Milliarden Dollar pro Jahr kommen sollen, die in Kopenhagen in Aussicht gestellt wurden.

Klimaschutz in Eigenregie

In Cancun stehen aber nicht nur der Waldschutz und die Finanzierungsmaßnahmen zu Diskussion, sondern auch ganz generell die Handlungsfähigkeit des UN-Regimes in Klimaschutzfragen. In Kopenhagen hatten sich die Delegitieren der mehr als 190 Teilnehmerstaaten in langen Nachtsitzungen zerrieben, in denen um Punkte und Beistriche in den Papieren gefeilscht wurde. Die wesentlichen Initiativen gingen aber bereits damals von woanders aus. "Obama ist am letzten Tag eingeflogen, hat sich mit einigen Leuten zusammengesetzt, mit denen er sprechen wollte, und dann ist ein Papier am Tisch gelegen. Das war schon damals eine totale Umgehung des Verhandlungsprozesses", sagt Schleicher. Seiner Meinung nach werden künftig wichtige Impulse für den Klimaschutz wohl eher aus bilateralen Verhandlungen oder der G20-Gruppe kommen als aus der zur Selbstblockade neigenden UN-Architektur. Zugleich geht er davon aus, dass viele Länder in Eigenregie danach trachten werden, ihre Emissionen zu verringern. So setzt etwa China, der mittlerweile größte Emittent, seit einigen Jahren massiv auf erneuerbare Energie, um seine Abhängigkeit von Öl und Kohle zu verringern.

Doch auch für einen Kyoto-Nachfolger sieht Schleicher noch Hoffnung in der Zukunft. "In fünf Jahren ist das durchaus denkbar", sagt Schleicher. Eile scheint dabei aber jedenfalls geboten. Denn nach Ansicht der meisten Klimaexperten reichen die derzeit am Tisch liegenden Emissionsreduktionspläne bei weitem nicht aus, um unter der als kritisch betrachteten Marke einer Erderwärmung um zwei Grad zu bleiben.

Siehe auchÖsterreich als Kyoto-Sünder