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Was ist rund 2000 Kilometer von der italienischen Hauptstadt Rom entfernt und darf sich dennoch Etappenort des Giro d’Italia nennen? Die richtige Antwort lautet: Belfast. Tatsächlich beginnt am Freitag die 97. Auflage der zweitwichtigsten Rad-Rundfahrt der Welt (nach der Tour de France) mit drei Auftaktetappen in Nordirland und Irland. Einen besonderen Grund für diesen doch etwas fern von Italien stattfindenden Aufgalopp der Pedalisten gibt es übrigens nicht - man darf allerdings getrost davon ausgehen, dass das liebe Geld eine nicht unwesentliche Rolle spielen dürfte. Und da wird man halt auf der grünen Insel ein ansehnliches Sümmchen lockergemacht haben, um den Giro-Tross weiträumig umzuleiten - mit dem Erfolg eines gewissen, freilich nicht allzu großen Werbeeffektes. Lokal, denn weltweit wäre schon aufgrund des darniederliegenden Radsports etwas übertrieben. Dass die Iren im Radfahren eine lange Tradition haben und dafür eigentlich keinen Giro vor der Haustür brauchen, wissen wir durch diverse Stars - etwa Stephen Roche, der 1987 Tour, Giro und Weltmeisterschaft gewann. Also Entwicklungsarbeit ist dort nicht unbedingt nötig. Was uns allerdings, will man diesen Kommerzgedanken weiterverfolgen, zur Frage führt, warum Giro und Tour nicht schon längst jene Märkte erobern, die da überall auf der ganzen Welt brach herumliegen? Tour-Auftakt in Kasachstan etwa, Bergwertung auf der Chinesischen Mauer, das Grande Finale in Sotschi. Oder gleich die große Vision am Persischen Golf: ein Giro-Wüstenrennen in Katar. Irgendwer muss ja testen, ob man dort anno 2022 Fußball spielen kann. Bei Bernie Ecclestone kann man sich sicher wertvolle Anleihen holen, wie man sich erfolgreich und sportpolitisch völlig sauber bei Despoten anbiedert.
Im Ernst: Nichts gegen spezielle Etappenorte zu besonderen Anlässen, aber Finger weg vom Ausverkauf der eigenen Wurzeln.