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Der griechische Wirt und der Finanzsektor

Von Georg Friesenbichler

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Es ist nicht die Bevölkerung in Südeuropa, die von den Hilfen des Nordens profitiert. Und die Politik bleibt beim Aufstellen neuer Regeln säumig.


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In Griechenland erzählt man derzeit Geschichten wie diese: Eine Gruppe deutscher Urlauber weigert sich, dem einheimischen Wirt die Rechnung in vollem Umfang zu begleichen. Ihr Argument: "Wir haben euch schon genug gezahlt!"

So kann sich das Propaganda-Trommelfeuer auswirken, mit dem auch viele seriösen Medien ständig behaupten, die reichen Nordeuropäer würden mit Rettungspaketen den verschwenderischen Süden finanzieren. Die Wirklichkeit schaut indes anders aus, wie viele Experten, aber auch "Empörte" in Griechenland und Spanien bereits seit längerem vermuten. Sie können sich nun durch eine Untersuchung der Organisation "Attac" zur Griechenland-Finanzhilfe bestätigt fühlen.

"Attac" kommt zu dem Schluss, dass fast 50 Prozent der 206,9 Milliarden, die bisher an Griechenland ausbezahlt wurden, den Gläubigern des griechischen Staates zugute kamen, und zwar zur Bedienung von Staatsanleihen sowie für den Schuldenschnitt und den Schuldenrückkauf. Zusammen mit den knapp 60 Milliarden für die Rekapitalisierung der griechischen Banken selbst wurden laut Rechnung der Organisation mindestens 77 Prozent der ausbezahlten Summe für die Sanierung des Finanzsektors ausgegeben - nicht nur des griechischen wohlgemerkt, sondern auch des französischen und des deutschen, die mit griechischen Anleihen Geschäfte gemacht hatten.

Sogar der Großteil der 46,6 Milliarden Euro, die direkt in den griechischen Staatshaushalt flossen, diente der Befriedigung der Gläubiger. Der erwähnte griechische Wirt hat also nicht von den Hilfen profitiert - einige seiner Landsleute wie eine Milliardärsfamilie, die große Teile einer staatlich geretteten Bank besitzt, hingegen sehr wohl.

Man mag anmerken, dass "Attac" eine globalisierungs- und kapitalismuskritische Gruppe und damit Partei ist. Ihre Zahlen stammen aber fast alle aus offiziellen EU-Quellen. EU-Experten wenden indes vor allem ein, dass es aus ökonomischen Gründen nicht so leicht zu bewerten sei, wer im Endeffekt begünstigt werde. Das trifft sich freilich mit einem weiteren Vorwurf von "Attac" - die EU (und der IWF) machen eben nicht transparent, wer letztendlich profitiert.

Kritik kommt übrigens nicht nur von links, auch die Verfechter neoliberaler Ansichten haben keine Freude mit der Bankenrettung. Als die Anhänger des freien Marktes allerdings in Form der US-Regierung 2008 die Lehman-Bank in die Pleite gehen ließen, haben sie die Weltwirtschaftskrise erst richtig in Schwung gebracht. Seit diesem Trauma stellt die Politik die Bankenrettung als alternativlos dar. Wie schwierig die Abkehr davon ist, hat dieser Tage die mühsame Suche nach einem Konsens gezeigt, um die Sanierungslasten für marode Banken nicht den Bürgern aufzuerlegen. Im Übrigen warten wir ja auf die Zügelung der Finanzmärkte, die die Politiker vor fünf Jahren versprochen haben, bis heute vergeblich.

Deswegen zu resignieren wäre wohl trotzdem falsch. Sonst steht man am Ende da wie der griechische Wirt: Der verzichtete schließlich auf sein Geld und bat die deutschen Gäste lediglich, sein Lokal zu verlassen.