Die Weltkriegsausstellung in der Wienbibliothek im Rathaus dokumentiert, wie sich in den Jahren ab 1914 die Kriegspädagogik auf die Kinder auswirkte.
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Die allgemeine Kriegseuphorie blieb nicht ohne Auswirkung auf die Schule. Vor allem in den ersten Jahren des Ersten Weltkriegs, bis zum Tod Kaiser Franz Josephs, etablierte sich in den Schulen eine "Kriegspädagogik" mit entsprechender Gestaltung der Lehrinhalte.
In allen möglichen Lehrfächern spielte das Kriegsgeschehen auf einmal eine Rolle. Auch wurden die Schulkinder zu Sammelaktionen zugunsten der Kriegsführung eingeteilt. Die Mädchen fertigten in der Schule "patriotische Handarbeiten" wie Socken, Schals, Fäustlinge, Gamaschen und weitere Kälteschutzmittel an. Zuweilen trafen von Frontsoldaten Dankschreiben ein, die dann den Kindern vorgelesen wurden.
In Wien wurden Schulkinder auch zum korporativen Besuch des "Schützengrabens" im Wurstelprater aufgefordert. Im Jahr 1916 hatte man den in der Nähe der Rotunde befindlichen Schützengraben erheblich vergrößert. Das Kriegsterrain im Prater umfasste nun 160.000 Quadratmeter. Man konnte anhand des weitverzweigten Schützengrabens nachvollziehen, wie die Soldaten in der Erde hausten und von dort aus den Feind bekämpften. Im Umfeld des Schützengrabens gab es eine weite Kriegslandschaft mit zerschossenen Gehöften, verlassenen Stellungen und Stacheldrahtverhauen, hinter denen drohend der Feind lauerte. Ein im Hintergrund befindliches Kolossalgemälde sollte die Illusion erwecken, dass man sich tatsächlich in der Feuerlinie befinde. Nicht weit vom Schützengraben entfernt, wo eine Seeschlacht nachgestellt wurde, blitzten Mündungsfeuer auf und donnerten Geschütze.
Solcherart eingestimmt wussten sich die Kinder bei ihren Kriegsspielen variantenreich in Szene zu setzen. Kriegsbegeisterte Eltern steckten ihre Sprösslinge in Uniformen und kauften ihnen allerlei kriegerische Gesellschaftsspiele. Das Kriegshilfsbüro des k. k. Ministeriums des Innern gab zugunsten des Roten Kreuzes unter dem Titel "Wir spielen Weltkrieg" ein "zeitgemäßes Bilderbuch für unsere Kleinen" heraus.
Die Fotopostkartenserie "Unsere Kinder in großer Zeit" zeigt uniformierte Buben als Soldaten und Mädchen als Schwestern des Roten Kreuzes, im Hintergrund befinden sich jeweils Wiener Ansichten. Bemerkenswert ist die hier abgebildete Künstlerpostkarte, worauf zu sehen ist, wie Kinder die Fläche unter dem Sofa als Schützengraben nutzen und den Feind bekämpfen. Im Beitext sind ihnen folgende Worte in den Mund gelegt: "Im Schützengraben sind wir gut gedeckt, / Nur der Gewehrlauf wird hervorgestreckt. / Setzt an! Gebt Feuer! Die mit roten Hosen, / Die jetzt dort purzeln, das sind die Franzosen!"
Print-Artikel erschienen am 30. April 2014
in der Kolumne "Museumsstücke"
In: "Wiener Zeitung", Beilage "ProgrammPunkte", S. 7
Wohin der Krieg führt.
Wien im Ersten Weltkrieg 1914–1918Wienbibliothek im Rathaus
1010 Wien, Rathaus, Stiege 6, 1. Stock
noch bis 23. Mai 2014
Mo bis Do (werktags) 9–18.30 Uhr
Fr (werktags) 9–16.30 Uhr
Tel. 01/4000/84926