Bei der Convention der Demokratischen Partei in Philadelphia hielt Barack Obama ein Loblied auf seine Nachfolgerin in spe – und sowas wie ein kleines Abschiedskonzert.
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Washington D.C./Philadelphia – Wer wirklich Angst, dass es am Ende doch Donald Trump wird, sollte auf David Plouffe hören, beziehungsweise seinen Twitter-Feed abonnieren. Der 49-Jährige arbeitet als Chefstratege der Car-Sharing-Firma Uber, eine von denen, deren Geschäftsmodell als zukunftsweisend für das 21. Jahrhundert gilt.
Den Job hat sich Herr Plouffe selber ausgesucht, nachdem er, als er 2013 beschloss, dass es Zeit für einen beruflichen Tapetenwechsel wäre, mit Jobangeboten regelrecht überflutet worden war. Das einzige, was ihm "wirklich wichtig" sei, sagte er damals, wäre, "weiterhin eine Arbeit zu haben, in der man die Zukunft für möglichst viele Menschen positiv mitgestalten kann. Auch außerhalb der Politik." Was im politischen Kontext freilich "positiv" und was "negativ" ist, liegt meistens im Auge des Betrachters.
David Plouffe versteht unter positiv, dass er entscheidend daran beteiligt war, dass die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger Barack Hussein Obama zweimal, in den Jahren 2008 und 2012, mit eindeutigen Mehrheiten ins Weiße Haus wählten, als ersten afroamerikanischen US-Präsidenten der Geschichte.
Mit einem bis dahin nahezu unbekannten Wahlkampfmodell, das auf der Auswertung akkumulierter Daten über die Bevölkerung und deren politische Meinungen in jedem einzelnen der 50 US-Bundesstaaten basiert, setzte Plouffe neue Massstäbe. Seitdem gilt er als der Wahlguru unter allen Wahlgurus und die Tatsache, dass er sich 2013 aus seiner Rolle als Chefberater Obamas verabschiedet hat, scheint seinem Wort gar noch mehr Gewicht zu geben.
Am späten Mittwochabend verschickte Plouffe per Twitter ein Bild von seinem alten Chef, wie der sich mit Hillary Clinton in den Armen liegt.
Die beiden stehen auf der Bühne des Wells Fargo Center von Philadelphia, Pennsylvania, wo die Demokratische Partei in diesem Jahr ihre Convention abhält. Bildüberschrift: "44 und 45. America." Gänzlich unsubtiler geht's kaum: Obama ist der 44. Präsident der USA. Schon im Vorfeld der Convention und angesichts diverser Umfragen, die nach dem Ende des republikanischen Parteitags in Cleveland durchgeführt wurden und die plötzlich Donald Trump mit bis zu sechs Prozentpunkten in Führung sehen, sah es Plouffe als seine erste Aufgabe an, seine Parteifreunde zu beruhigen. Auch wenn er nicht aktiv in die Wahlkampfplanung eingebunden sein, sei nach allen ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen alles angebracht, nur keine Panik:
"Hillary Clinton wird die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Ich sehe da draußen kaum etwas, was das ändern kann." Eine Botschaft, die heute wie in den kommenden vier Monaten freilich kaum jemand hören will, der den letzten Zweifel an der Möglichkeit eines Präsidenten Trump und die damit einher gehende Unberechenbarkeit ausgeräumt wissen will.
Entsprechend die Stimmung und die Aufstellung unter den Demokraten in Philadelphia, die während der vergangenen Tage buchstäblich kein Auge trocken ließen. Als Clinton in der Nacht zum Freitag ihre Nominierungsrede hielt, fand sie den Boden für sich in einer Art und Weise aufbereitet, der sich mit optimal nur unzureichend beschreiben lässt. Die Absicht, die Partei in der "Stadt der brüderlichen Liebe", die zu Beginn der nunmehr 240 Jahre jungen Geschichte der Vereinigten Staaten eine einzigartige Rolle spielte, mit einer (relativ) friktionslosen Inszenierung als geschlossene Macht hinter Clinton darzustellen, ist den Demokraten definitiv gelungen. Zu verdanken hatten sie das zuvorderst, wieder einmal, der Familie Obama.
Tags zuvor stand tausenden Menschen in Downtown Philadelphia und mutmaßlich Millionen vor den Fernsehschirmen die Mühe ins Gesicht geschrieben, sich nicht auf die Lippen zu beissen und lauthals "Four more years" anzustimmen. Im Rahmen der wahrscheinlich letzten großen Rede Obamas vor seiner Partei bekam das Publikum noch einmal ein Gefühl dafür, wie und warum der schwarze Sohn einer alleinerziehenden weißen Mutter in seinem Leben derart weit kommen konnte. (Von der Tatsache ganz abgesehen, dass die Rede seiner Ehefrau vom Montag in den Köpfen noch immer
nachhallte.)
Noch einmal beschwor der 54-Jährige sein immerwährendes Mantra von dem "Mut zur Hoffnung", das gerade angesichts der extrem dunklen Version von Amerika, die die Gegenseite zeichne, aktuell wie nie sei. Fast eineinhalb Stunden lang redete Obama über die Vorzüge und die Lasten, die das höchste Amt im Staat mit sich bringen, vergaß dabei aber auch nicht, die Leute – allen voran die Bernie-Sanders-Wähler im Saal, die ihrem Frust im Laufe der Convention nicht nur einmal Luft gemacht hatten – zu ermahnen, sich um ihr eigenes Zeug zu kümmern, sprich die ganz normale, nur scheinbar langweilige Politik vor ihrer eigenen Haustür: "Geht in Zukunft nicht nur alle vier Jahre den Präsidenten wählen! Geht zur nächsten Kongresswahl! Beteiligt euch an der zum nächsten Bürgermeister und zum Sheriff!"
Tenor: Veränderung wird in einer Demokratie nur im seltensten Fall von oben diktiert – auch wenn Donald Trump das ändern will, wenn er es trotz allem ins Weiße Haus schaffen sollte. Wer will, dass sich die Dinge ändern, muss im kleinen anfangen. Ein Appell mit einer scheinbar banalen Botschaft, aber eben nicht im politischen Kontext der heutigen USA, wo heute eine breite Mehrheit der Leute demokratisch wählt und denkt, die Republikaner aber trotzdem die der politischen Ämter in Lokalparlamenten, Abgeordnetenhaus und Senat hält.