Es braucht nicht nur Geld, es braucht auch Ambition.
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Wer bietet mehr im hyperkeynesianischen Spiel zur Bewältigung der Herausforderungen der Gegenwart (Covid-19) und der Zukunft (Klimakrise)?
2 Billionen Dollar schmeißt US-Präsident Joe Biden auf das Problem, 750 Milliarden Euro fließen über das EU-Aufbauinstrument "NextGenerationEU" in die Budgets der europäischen Staaten.
Bringt das den "Great Reset", der in eine klimafreundliche, digitale und gerechte Zukunft weist, wie es das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem Heilsversprechen verkündet? Realistischer: Politik ist "langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich", wie der deutsche Soziologe Max Weber bemerkte. Immerhin: Dieses Bohren harter Klimapolitik-Bretter wird nun angegangen. Die Weltwirtschaft steht vor dem größten Energietransformationsprozess seit 110 Jahren.
Der nun bevorstehende Energieregimewechsel wird die Geopolitik ebenso verändern wie damals, als die Kohleimperien Europas von Ölimperien (USA, UdSSR) abgelöst wurden. Die internationale Wettbewerbsfähigkeitstabelle wird ebenso durcheinandergewirbelt werden wie der nationale österreichische Aktienindex ATX, und dieser Transformationsprozess wird auch tief in den Alltag der Menschen eingreifen.
Der Nahe Osten wird genauso an wirtschaftlicher Bedeutung und politischem Einfluss verlieren wie Russland. Länder, die frühzeitig auf erneuerbare Energien, Elektromobilität, moderne Stadtplanung und nachhaltiges Wirtschaften setzen, werden die Nase vorn haben. Im ATX hat der Stromkonzern Verbund den Öl- und Gasriesen OMV in puncto Marktkapitalisierung überholt. Die Stärken der österreichischen Industrie (erneuerbare Energie, Massentransportsysteme, Eisenbahntechnologie) sind Trümpfe für die Zukunft.
Und dennoch: Österreich hat in Bezug auf die Klimapolitik geschlafen, dem Land drohen laut Rechnungshof Kosten von mehr als 9 Milliarden Euro für den Ankauf von Emissionszertifikaten. Die Treibhausgasemissionen sind von 1990 bis 2017 im EU-Schnitt um nahezu ein Viertel gesunken, in Österreich hingegen sind sie um 5 Prozent gestiegen. Das Hauptproblem ist dabei der Verkehr - verpfuschte Raumplanung und Zersiedelung, die der Staat mit Pendlerpauschale und Wohnbauförderung auch noch anheizt; dazu fahrradfeindliche Verkehrsplanung in den Städten und zögerliche, ängstliche Parkraumbewirtschaftung.
Der Blick auf das große Ganze sollte den Blick schärfen: Warum strebt ein Land mit hervorragenden Startbedingungen im Wettlauf um die Energiezukunft nicht einen Spitzenplatz an? Allerdings: Geld allein reicht nur zur Problemlösung, es braucht auch politische Ambition und Mut.