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Der große Streit um richtige Reform

Von Alexandra Grass

Politik

Die heimischen PolitikerInnen sind von der zuletzt vorherrschenden Debatte um die Steuerreform gestern in eine Debatte um die anstehende Gesundheitsreform geschlittert. Wobei die Selbstbehalte die Diskussion dominierten. Und dabei wurden einmal mehr Differenzen innerhalb der Koalitionsparteien deutlich. Während Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zuletzt höhere Kosten für die Einzelnen nicht ausgeschlossen hatte, sprach sich Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck gestern gegen weitere Belastungen für die PatientInnen aus.


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"Es gibt genügend Maßnahmen, die möglich sind, ohne die Patienten zu belasten", erklärte Waneck bei einer Pressekonferenz. Derzeit gebe es 16 verschiedene Selbstbehalte und es soll "auf keinen Fall" mehr geben. Es gelte, die bestehenden zu rationalisieren und diese sollten dann sozial verträglich und transparent sein, erklärte der FPÖ-Staatssekretär. Vorerst soll in jedem Fall "der Hauptverband sagen, was er will" und dann entscheide die Politik.

Deutlicher wird Waneck dann in der Presseunterlage: "Die hypothetische Einführung eines neuen, generellen Selbstbehaltes, wie schon öfter von ÖVP-Seite angedacht, wäre keine Reform des Gesundheitswesens, sondern bestenfalls die Bekämpfung eines Symptoms, nämlich der Finanzschwäche der Kassen." Weiter spricht er auch von "versteckten Beitragserhöhungen".

Und solche kommen für ihn nicht in Frage. Diese habe es durch die bereits beschlossene Harmonisierung der Beiträge "de facto schon gegeben".

Alle sind sich einig, außer der Finanzminister

Zum Thema Medikamentenpreise merkte Waneck an: "Alle, außer der Finanzminister, sind sich einig, dass die Mehrwertsteuer abgeschafft gehört." Eine Absenkung von 20 auf zehn Prozent würde dem Gesundheitssystem 200 Mill. Euro bringen. Überdies verlangt der Staatssekretär die Zweckbindung von Teilen der Tabaksteuer, wie sie Finanzminister Karl-Heinz Grasser zwar zugesagt hat, aber noch nicht eingehalten worden sei.

Statt Schließung von Spitälern Reformierung

Statt einer Schließung von Spitälern fordert Waneck eine "Reformierung". Er spricht sich für eine gemeinsame Planung von vier Regionen aus, worin auch die Krankenkassen administrativ kooperieren sollten. Diese vier Regionen könnten dann die vom Bundesinstitut für Gesundheitswesen geplanten 30 Gesundheitsregionen betreuen (siehe unten). Dadurch würde die Anzahl der Betten automatisch sinken.

SPÖ für konstruktive Zusammenarbeit

SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer warnte unterdessen vor einer Erhöhung des Selbstbehaltes. Grundsätzlich sei seine Partei aber zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bei der Reform des Gesundheitssystems bereit. Für den von Schüssel für Herbst angekündigten Reformdialog steht die SPÖ zur Verfügung.

Zuerst gelte es, alle Effizienzsteigerungen und Einsparungspotenziale zu nützen. Hier hat Gusenbauer vor allem die Medikamentenkosten im Visier. Er kann sich vorstellen, dass man das System der Verschreibepraxis neu regelt. Ärzte, die regelmäßig die teuersten Medikamente verschreiben, sollten mit Sanktionen rechnen müssen, schlägt der SPÖ-Vorsitzende vor. Diese Sanktionen könnten von einem klärenden Gespräch bis hin zum Entzug des Kassenvertrags gehen.

Prompte Ablehnung gegen diese Forderung kam von der ARGE Ärztinnen im ÖGB. Die Reform dürfe sich nicht darauf beschränken, Sanktionen zu verlangen. "Der Vorwurf, die ÄrztInnen würden aus persönlichen, gewinnorientierten Motiven teure Medikamente verschreiben, ist eine unglaubliche Diffamierung", erklärte ARGE-Vorsitzende Sabine Oberhauser in einer Aussendung.

Für Grüne agiert die Bundesregierung konzeptlos

Unterdessen haben die Grünen der Bundesregierung vorgeworfen, in der Gesundheitspolitik konzeptlos zu agieren. Für den Gesundheitssprecher Kurt Grünewald ist es "nicht zu tolerieren, dass die Politik nun das System vorwiegend von den Kranken sanieren lassen will und darüber hinaus sattsam bekannte Probleme mit Appellen an Länder, Gemeinden, Kassen und Pharmaindustrie bewenden lässt".