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Laut unserer gültigen Verfassung geht das Recht vom Volke aus, doch was bedeutet dieser von der der Politik so gern zitierte Satz wirklich? In der Theorie klingt das vielversprechend, doch wie sieht es in der Praxis aus?
Das Recht des Volkes beschränkt sich defacto auf die Möglichkeit alle paar Jahre an Wahlen teilzunehmen und einer Partei seiner Wahl seine Stimme zu geben. Für die paar Sekunden in der Wahlzelle ist der Normalbürger mündig und dann hat er auch schon seine Aufgabe als Stimmvieh erfüllt.
Sie sagen jetzt, wir können durch Vorzugsstimmen Umreihungen vornehmen und damit eine Person unseres Vertrauens entsenden? Klingt gut, aber wenn man sich die Wahlordnungen genauer ansieht (z. B. Nationalratswahlordnung, 43 regionale Wahlkreise, 9 Bundesländerwahlkreise und einen Wahlkreis der das gesamte Staatsgebiet umfasst) dann braucht ein vom Volke gewünschter Mandatar für ein Direktmandat (rund 12.000 Vorzugsstimmen im Regionalwahlkreis durch Ankreuzen, bzw. 24.000 Stimmen im Bundesländerwahlkreis durch Hinzuschreiben des Namens des favorisierten Abgeordneten meiner Wahl), womit man sich ausrechnen kann, dass solche Umreihungen auf den Parteilisten relativ selten vorkommen und eines abgestimmten Verhaltens der Wähler bedürfen.
Auch der neue Vorschlag der ÖVP, dass in Zukunft rund 100 Abgeordnete vom Volke direkt gewählt werden sollen, dient in Wirklichkeit dem Machterhalt der ÖVP und ist in Wahrheit der Versuch das Mehrheitswahlrecht über die Hintertür einzuführen. Beim Mehrheitswahlrecht kann man mit 28 - 30 % der Stimmen das Mandat einfahren und die Stimmen an die anderen Parteien sind wertlos. Nachdem die ÖVP in regionalen Gebieten stark verankert ist, wäre sie der Nutznießer vom Mehrheitswahlrecht und die FPÖ wäre der große Verlierer.
Die Parteien stehen dem Volke nicht einmal das Recht zu die Länge von deren Funktionsperiode zu bestimmen, was sie uns durch deren Änderung durch einen Nationalratsbeschluss bewiesen haben. Auch die Absenkung des Wahlalters wurde von den Abgeordneten im Alleingang entschieden, obwohl auch hier wieder ein massiver Eingriff in unsere Rechtsnormen vorgenommen wurde.
Durch die vielen Änderungen dürfte bei den Machthabern mittlerweile der eigentliche Sinn des Satzes "Die Macht geht vom Volke aus" wie ihn unsere Schaffer der Verfassung im Hintergedanken gehabt haben verloren gegangen bzw. auf Betrachtung des Volkes als Stimmvieh reduziert worden sein.
Um dem Satze "Das Leben geht vom Volke aus" wieder Leben einzuhauchen bedarf es der Möglichkeit des Souveräns, jederzeit als kollektiver Korrekturmechanismus eingreifen zu können, wenn sich die Machthaber zu weit vom Volkswillen entfernen. Mit anderen Worten es bedarf eines verfassungsrechtlich verbrieften Rechtes des Volkes auf Mitbestimmung.
Weitere interessante Artikel zu diesem Thema:
http://www.wienerzeitung.at/wzo/meinungen/gastkommentare/451444_ist_die_foerderung_der_meinungsvielfalt_legal_scheissegal_oder_gar_illegal.html
http://www.wienerzeitung.at/meinungen/gastkommentare/446198_Macht-bzw.-Ohnmacht-der-Waehler.html
Exakt diese Zeilen habe ich an die Parteien gesandt und diese gebeten mir ein Bild eines ihrer Vertreter zu schicken (wenn möglich mit der Göttin der Weisheit als Hintergrund), falls sie der Ansicht sind, dass die Forderung nach mehr Bürgermitbestimmung berechtigt ist und sie diese unterstützen.
Die Reaktionen waren:
1. BZÖ - Bild plus eindeutiges Bekenntnis zur Bürgermitbestimmung, ab 400.000 Unterschriften soll Bürgerbegehren zu einer verpflichtenden Volksabstimmung führen (Abg.NR Herbert Scheibner)
2. Grüne - wir veröffentlichen keine Kommentare von Fremden auf unserer Homepage werden aber Artikel an zuständige Person weiterleiten
3. FPÖ, ÖVP, SPÖ - bisher keine Reaktion
Um das Bild abzurunden, habe ich analysiert, wie bzw. wann das Volk auf Bundesebene in den Entscheidungsprozess einbezogen wurde, wobei das Ergebnis mehr als ernüchternd ist:
1. Es gab eine einzige freiwillige Volksabstimmung und diese war Zwentendorf, wo sich das Volk gegen das Vorhaben der Machthaber entschieden hat und seither haben anscheinend die Machthaber Angst vor dem Volke.
2. Es gab eine einzige verpflichtende Volksabstimmung (EU-Beitritt), weil 3 von 4 Grundpfeiler unserer Verfassung geändert wurden.
3. Ansonsten gab es nur sogenannte Bürgerbegehren (z. B. Konferenzzentrum, Abfangjäger), welche selbst wenn sie 100 % der Bevölkerung unterschrieben hätten, keinerlei rechtliche Verpflichtung für die Machthaber gehabt hätten.
4. Bis dato gab es keine einzige Volksbefragung
Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass die Schöpfer der Verfassung die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung in Form der Volksbefragung bzw. -abstimmung bewusst geschaffen haben und dann die Häufigkeit der Anwendung (1 x fakultativ und 1 x zwingend vorgeschriebene Volksabstimmung in mehr als einem halben Jahrhundert) in Relation setze und man davon ausgehen kann, dass es sicher mehr Anlassfälle (Vertrag von Lissabon oder die bevorstehende Abstimmung beim ESM) gegeben hätte, stellt sich die Frage, ob diese bewusste Aussperrung der Bevölkerung vom Entscheidungsprozess in der Zeitreihe gesehen nicht der Absicht der Schöpfer der Verfassung widerspricht und somit verfassungswidrig ist?
Einzig bei einer wesentlichen Änderung der Verfassung ist eine Volkabstimmung zwingend vorgeschrieben, wobei die Lehre dabei davon ausgeht, dass als Maßstab immer die Ursprungsverfassung heranzuziehen ist. Viele Rechtsexperten sind seit dem Vertrag von Lissabon der Ansicht, dass bereits hier eine entsprechend große Änderung vorliegt und somit eine Volksabstimmung zwingend vorgeschrieben gewesen wäre. Nachdem mit dem ESM weitere wesentliche Souveränitätsrechte nach Brüssel abgegeben werden, ist meines Erachtens zu dessen verfassungsrechtlicher Verankerung eine Volksabstimmung zwingend notwendig, andernfalls könnten sich die Abgeordneten außerhalb unseres Rechtssystems stellen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass sich nunmehr alle Parteien mehr Bürgermitbestimmung auf die Fahnen heften. Selbst wenn unsere gewählten Abgeordneten der Ansicht sind, dass sie den ESM im Alleingang beschließen können, dann würden sie, wenn sie dies durchführen damit öffentlich bekennen, dass sie an einer echten Einbeziehung des Volkes gar kein Interesse haben, sondern das Volk nur als Stimmvieh betrachten, das bis zu den nächsten Wahlen alles vergessen hat. Aber liebe Abgeordneten da werdet ihr die Rechnung ohne den Wirt machen, denn es gibt genügend mutige Bürger, die über euer Stimmverhalten beim ESM und andere wichtige Themen berichten werden und dafür sorgen werden, dass das Volk nicht vergisst, wenn über unsere Interessen einfach drübergefahren worden ist.
Kein Abgeordneter kann sich aus der Verantwortung stehlen, denn es reicht 1/3 (z. B. eine geschlossene Opposition) um bei einem Verfassungsgesetz wie z. B. dem ESM eine Volksabstimmung zu erzwingen. Somit hat auch die Opposition keine Ausrede, dass sie gegen die Regierungsmehrheit nichts ausrichten kann, sofern sie an einem Strang zieht und die Forderung nach Bürgermitbestimmung mehr als ein Lippenbekenntnis ist.
Wie wichtig eine Neuverteilung der Macht unter Einbeziehung des Volkes (verbrieftes Recht auf Mitbestimmung) ist, zeigt auch z. B. der Kyoto-Vertrag, wo der Umweltminister im Prinzip einen Vertrag mit anderen Ländern abgeschlossen hat, welcher dem österr. Steuerzahler Strafzahlungen bzw. den Ankauf von Verschmutzungsrechten und damit entsprechende Ausgaben beschert hat, obwohl der Bund gar kein Durchgriffsrecht in die Belange der Länder hat und somit im Prinzip einen Vertrag abschließt auf dessen Erfüllung er einen nur sehr eingeschränkten Einfluß (z. B. Förderung der Altbausanierung) hat. Bei der Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Länder gilt die Versteinerungstheorie, welche besagt, dass jene Kompetenzen, die in der Verfassung nicht ausdrücklich zugeordnet sind, die Länder zuständig sind.
Würde ein Privater Verträge unterschreiben ohne auf dessen Erfüllung einen entsprechenden Einfluss zu haben, würde er sich meines Erachtens eines Krida-Tatbestandes schuldig machen und mit großer Wahrscheinlichkeit Bekanntschaft mit dem Strafrichter machen und für einige Zeit gesiebte Luft einatmen. Im Prinzip erfolgt eine Verpflichtung Dritter, welche unsere Rechtsordnung verbietet. Mischt sich der Bund in Länderangelegenheiten ein ohne dafür die notwendige Kompetenz zu haben, dann wird diese Regelung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, was immer wieder vorkommt.
Bei einer Analyse der Machtzentren ist erkennbar, dass diese immer wieder ihre Kompetenzen ausweiten, wobei deren Rechtmäßigkeit mehr als fraglich ist:
1. EuGH - sollte eigentlich Recht sprechen und nicht selbst Recht schaffen
2. EZB - ist für die Wahrung der Geldwertstabilität zuständig, was nichts mit dem Aufkauf von giftigen Papieren der maroden Staaten zu tun hat
3. Unsere Minister setzen ihre Unterschriften unter Verträge, deren Erfüllung massiv in die Länderkompetenz fallen, womit die Steuerzahler mangels Durchgriffsrecht auf Landesebene zur Kasse gebeten werden, wenn die Länder nicht freiwillig mitspielen.
Laut neuesten Meldungen plant derzeit die EU einen neuen Anschlag auf die Souveränität der Staaten und es sollen die Energie- und Umweltschutzagenden nach Brüssel wandern. Gelingt dieser Coup, dann könnte z. B. die EU auch über den Abbau von Schiefergas bzw. die Verwendung unseres Wassers entscheiden, womit wir weitere Rechte verlieren würden und vor allem fremde Staaten über uns bestimmen würden.
Aufgrund der aufgezeigten Problematik erscheint es notwendig, den Österreichern und Österreicherinnen ein verbrieftes Recht auf Mitbestimmung auf Bundes-, Landes- und Gemeinde- bzw. Bezirksebene zu gewähren bevor durch eine Konzentration der Machtfülle in Brüssel eine solche zur Farce wird.