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Der größte Diebstahl aller Zeiten

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Steigende Inflation, mit freiem Auge nicht mehr sichtbare Zinsen: Die Enteignung des Mittelstandes nimmt Fahrt auf.


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Stellen wir uns einmal kurz vor, der österreichische Nationalrat oder der deutsche Bundestag würden ein Sozialstaat-Sicherungsgesetz beschließen, mit dem über Nacht alle Sparguthaben und ähnliche Anlageformen einer einmaligen Steuer von 20 Prozent unterworfen würden, völlig unabhängig davon, ob sich jemand ein paar tausend oder ein paar hunderttausend Euro erspart hat. Man braucht keine überbordende Fantasie, um sich vorzustellen, welcher Volksaufstand dann losbräche; und durchaus aus gutem Grund.

So was ist kaum vorstellbar? Ganz im Gegenteil. Im Verlauf des vergangenen Jahrzehntes ist, jedenfalls vom Ergebnis her, etwas durchaus Vergleichbares passiert. Die Kombination aus Nullzinsen und moderater, aber durchaus vorhandener Geldentwertung hat alle Sparer in vergleichbarer Größenordnung enteignet, je nachdem, welche Inflationsrate man für realistisch erachtet. Dass die Enteigneten dies so lammfromm hinnahmen, dürfte vor allem dem Frosch-Phänomen geschuldet sein: Wirft man ihn in heißes Wasser, springt er hinaus; erwärmt man es langsam, lässt er sich kochen. Das ist bei Sparern offenbar genauso.

Bemerkenswert daran ist, dass dies demokratisch überhaupt nicht legitimiert ist, einer konfiskatorischen Besteuerung des sozialen Mittelstandes entspricht und jene Staaten bestraft, die solide wirtschaften, hingegen jene belohnt, die das nicht so eng sehen. Demokratisch nicht legitimiert ist diese Enteignung, weil kein Parlament dieser Welt, schon gar nicht jenes in Wien oder Berlin, dem je zugestimmt hat. Während diese Kammern sich mit gutem Grund vorbehalten, über jedes Zehntelprozent mehr oder weniger Lohnsteuer zu entscheiden, sahen sie dieser Enteignungsorgie bloß zu. Zu verantworten hat sie die EZB, die ja jenseits demokratischer Kontrolle agiert.

Mit einer reinen und zielgerichteten Mittelstandsenteignung haben wir es zu tun, weil weder Arme noch nennenswerte Reiche von ihr betroffen sind. Arme naturgemäß, weil die über keinerlei signifikante Ersparnisse verfügen; Reiche, weil deren Vermögen nicht auf Sparbüchern geparkt ist, sondern in Firmenbeteiligungen, Aktien, Immobilien und anderen Sachwerten. Und deren Wert stieg dank der EZB-Politik des Gelddruckens sogar noch erheblich an. Geld auf Sparbüchern oder ähnlichen Anlageformen horten in der Regel jene, die das Risiko von Aktien oder auch Immobilien scheuen, nicht zuletzt, weil ihr Vermögen zu klein ist, um es vernünftig streuen zu können. Also jene Mittelständler, die sich im besten Fall ein paar hunderttausend Euro erspart haben, von denen sie ihre magere Rente im Alter aufmotzen wollen.

Sie - und nur sie - werden seit Jahren und auch weiterhin ohne jede demokratische Legitimation systematisch ausgeplündert. Und zwar vor allem zugunsten jener Staaten in der Eurozone, deren Interesse an soliden Staatshaushalten nicht so übertrieben stark ausgeprägt ist - und die durch diese Abschaffung der Zinsen (auf ihre irren Staatsschulden) vor dem Bankrott bewahrt werden; mit dem deutschen und dem österreichischen Fiskus als Kollateralgewinnler.

So haben wir uns faire und gerechte, demokratisch legitimierte und transparente Steuern eigentlich nicht wirklich vorgestellt.