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Der größte Fehler der USA im Irak

Von David Ignatius

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Nicht Saddam Hussein zu stürzen, war falsch, sondern das öffentliche Leben im Irak verfallen zu lassen.


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Ist Premierminister Nouri al-Maliki mit seinem misstrauischen Blick, seinem argwöhnischen Verhalten, seiner von Jahren im Untergrund zerfurchten Stirn wirklich das Abbild des heutigen Irak? Leider ja, und die USA haben mitgeholfen, dass es so ist. Malikis Besuch in Washington bot Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme acht Jahre nach der US-Invasion.

Was haben die USA mit dem Sturz Saddam Husseins und dem Kampf gegen die Aufständischen erreicht? Eine Demokratie zu errichten, ja - aber eine, die gekennzeichnet ist von Stammesbindung, von Sekten und Geheimorganisationen. Premier Maliki verkörpert all diese Kräfte. Er scheint nur seiner engsten Umgebung zu trauen, seine Bemühungen um eine Koalition auf breiter Basis sind gescheitert. Dieses Vertrauensdefizit ist nirgends offensichtlicher als im Bereich Energie, der dem Irak fantastischen Reichtum bescheren sollte, aber immer noch vom Fehlen der für Investitionen nötigen Gesetze behindert wird.

Maliki ist als früherer Mitarbeiter der Dawa-Partei ein zum Chef gemachter Verschwörer. In diesem Sinn steht er für ein größeres Phänomen, das man quer durch die Region des arabischen Frühlings beobachten kann. Er veranschaulicht, was passieren kann, wenn man die Pflöcke unter einem autoritären Regime herausschlägt, ohne eine starke politische Kultur darunter.

Die Bevölkerung mag von einer demokratischen Kultur der Toleranz träumen, aber es sind die Ränkeschmiede aus den Hinterzimmern, die meist triumphieren, die zurückbleiben, wenn die Regime-Umstürzler ihre Taschen packen und nach Hause fahren. Ich habe ein Foto aus dem Jahr 1985, das einen Kreis von (vom Iran unterstützten) Verschwörern zeigt, die sich hinter den Piloten des entführten TWA-Fluges 847 scharen. Einige ehemalige US-Beamte sagen, der kahl werdende Mann vorne sei Maliki. Selbst wenn das nicht stimmen sollte, so war es doch Malikis Dawa-Partei, die 1983 die US-Botschaft in Kuwait bombardierte. Seine politische Bildung hat Maliki aus einem verschwörerischen Untergrund.

US-Amerikaner, die sich umfassend mit Maliki beschäftigt haben, empfinden Kameradschaft mit ihm. Sie bewundern seine mutige Entschlossenheit, während der blutigsten Jahre des Aufstandes weiterzumachen, auch noch mit 50 oder 100 verstümmelten Toten im Bagdader Leichenschauhaus Tag für Tag.

Der größte Fehler der USA im Irak war nicht, Saddam Hussein zu stürzen, sondern die Infrastruktur der Regierung, der Armee und der Bildungs- und Sozialeinrichtungen explodieren zu lassen, die ein zivilisiertes Leben ermöglichten. Die Iraker taten, was Menschen im Zustand der Angst und Unsicherheit immer tun: Sie wandten sich Sekten zu, Stämmen, ethnischer Zugehörigkeit und geheimen Parteien. Schiiten zogen aus sunnitischen Wohngegenden aus und umgekehrt. Die Politik des Überlebens wurde mit demokratischer Politik verflochten: Eine seltsame Mischung entstand, besser zwar als zuvor, wie ich glaube, und doch auf eigene Weise brutal.

Übersetzung: Redaktion

Originalfassung "In Iraq, a man of the shadows"