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Der größte, langsamste Zusammenstoß der Welt

Von Eva Stanzl

Wissen

Indien taucht unter Tibet, aber wie? | Schwere Erdbeben; Tsunamis als Folge. | Potsdam/Wien. In der Plattentektonik vergeht die Zeit in Einheiten von Jahrmillionen. Der laut Forschern größte Zusammenstoß der Erdplatten, jener von Indien mit dem Eurasischen Kontinent, begann vor 50 Millionen Jahren. Die indische Platte schob sich seither 500 Kilometer weit unter Tibet und erreichte dabei eine Tiefe von 250 Kilometern, berichten sie im Fachjournal "Science".


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Der gesamte indische Subkontinent bewegt sich kontinuierlich nach Norden und hat sich allein in den letzten 50 Jahren rund zwei Meter unter Tibet geschoben. "Wir wissen nun genau, wie die Platten in diesem Gebiet zusammenstoßen", sagt Rainer Kind, Geologe am Deutschen Geo-Forschungszentrum. Das internationale Wissenschafter-Team hat den Verlauf der rund 100 Kilometer mächtigen indischen Kontinentalplatte unter Tibet verfolgt.

Bisher war nicht klar gewesen, was genau mit der Indischen Platte in diesem Gebiet passiert. Mögliche Erklärungen reichten von der These, dass sie unter Tibet durch Hitze weich würde und quasi verschwinde bis hin zu der Idee, die indische Platte würde senkrecht nach unten in den Erdmantel abstechen. Nun ist klar: Der untere Teil der indischen Platte schiebt sich zwar unter Tibet, doch die indische Erdkruste bleibt an der Oberfläche. Der Himalaja und das Hochland von Tibet, das höchste und größte Hochplateau der Welt, sind so entstanden.

Der Zusammenstoß in Zeitlupe verursacht außerdem katastrophale Erdbeben. Etwa soll der Tsunami von 2004 im Indik durch bei der Kollision erzeugte Erdbeben entstanden sein. Weiters forderte das Wenchuan-Beben im Mai 2008 am Ostrand von Tibet rund 87.000 Tote. "Das Aufeinanderprallen der beiden Kontinente ist sehr komplex. So trifft am nordwestlichen Rand von Tibet die Indische Platte auf die sehr starre Platte des Tarim-Beckens und wird dabei zusammengestaucht", erklären die Forscher die Art der Naturgewalt in ihrem Bericht.

Neue seismologischeMessverfahren

Mit einem neuen seismologischen Verfahren haben sie den Kollisionsprozess untersucht. Einerseits wurden die natürlichen Erdbeben aufgezeichnet. Andererseits wurden schwache, an der Unterkante der Kontinentalplatte gestreute Wellen - und damit die Unterkante selbst - im Detail sichtbar gemacht. Die Grenze zwischen der starren Lithosphäre und der weicheren Astenosphäre erwies sich als viel ausgeprägter, als man vorher annahm. Aus dem besseren Verständnis der Abläufe und den verbesserten Messverfahren erhoffen sich die Wissenschafter eine präzisere Erdbeben-Vorhersage.

Übrigens verändern die Plattenverschiebungen die Zahl der Erdbeben im Lauf der Erde nicht: "Ihre Zahl ist gleich geblieben. Aber es sind die Schäden größer, weil die Städte wachsen und die Bauweise oftmals schlecht ist", so Kind.