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Der Hammer-Kopf des Buntspechts

Von Eva Stanzl

Wissen
Wenn der Buntspecht klopft: Forscher haben 100 Videos ausgewertet. Current Biology / Van Wassenbergh et al
© Current Biology / Van Wassenbergh et al

Woody Woodpecker hat doch keinen Stoßdämpfer im Kopf, sondern sein Gehirn erträgt das stakkatoartige Trommeln ins Holz weitaus besser als angenommen.


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Würde sein wissenschaftlicher Name wörtlich aus dem Griechischen übersetzt, hieße der Buntspecht "großer Baumhämmerer". Zu Recht: Sein stakkatoartiges Trommeln ist über weite Strecken zu hören.

Die Lieblingsspeise des kleinen Vogels sind holzbewohnende Insekten und deren Larven, daher die hämmernde Aktivität. Doch die Wissenschaft rätselt seit langem, wie Woody Woodpecker seine eigene Klopfdynamik im Kopf aushält: Das Mindeste wäre eine Gehirnerschütterung. Den Widerspruch löste sie mit der Erklärung, dass die Schädel von Buntspechten als Helme fungieren, die die Schockwellen absorbieren und die grauen Zellen schützen.

Stimmt nicht, berichtet die belgische Universität Antwerpen im Fachjournal "Current Biology". Wenn der Buntspecht klopft, verhalte sich sein Kopf vielmehr wie ein rigider Hammer. Der Kopf sei das Werkzeug, mit dem der Specht seinen Schnabel ins Holz haut. Hätte er einen Stoßdämpfer, wäre er als Hammer weniger effektiv.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter analysierten den Angaben zufolge mehr als 100 High-Speed-Videos von Schwarzspechten, Helmspechten und Buntspechten während des charakteristischen Trommelns. "Unsere Berechnungen zeigen, dass die Köpfe der Spechte dabei nicht stoßdämpfend wirken", sagt Studienautor Sam Van Wassenbergh.

Zunächst hatten Van Wassenbergh und seine Kollegen den Bremsschock beim Einschlag des Schnabels im Baum berechnet. Auf Basis der Daten bauten sie biomechanische Modelle, deren Funktionsweisen den Schluss zulassen, dass ein Stoßdämpfer im Schädel den Vögeln Nachteile brächte. Was die Forscher zurück zur Frage brachte, wie Schwarz-, Helm- und Buntspechte ihr furioses Hacken im Kopf aushalten. Erleidet das Gehirn Schäden? Sie meinen, das tut es das nicht. Während der Bremsschock bei Menschen und Affen die Schmerzgrenze überschreiten würde, halten kleinere Gehirne derartige Stöße aus.

"Mythos ist nun widerlegt"

Natürlich könnten auch Spechte Fehler machen, etwa, wenn sie mit voller Kraft nicht auf Holz, sondern Metall picken, räumt der Biologe ein. Im Allgemeinen liege ihr Trommeln jedoch weit unter der Schwelle, die bei den Vögeln eine Gehirnerschütterung verursacht, selbst ohne Schutzhelm im Schädel. "Bloß weil der Stoßdämpfer fehlt, bringen die scheinbar gewaltigen Stöße die Gehirne nicht in Gefahr", wird Van Wasserbergh hin einer Aussendung seiner Universität zitiert. "Selbst die stärksten Stöße unter den analysierten Schlägen dürften für die Gehirne der Spechte ungefährlich sein, auch zumal unsere Berechnungen eine geringere Belastung des Denkorgans ergeben als bei Menschen, die eine Gehirnerschütterung erleiden."

Die Ergebnisse würden die seit langem vertretene Theorie der Stoßdämpfung widerlegen, sagt der Biologe. "Als wir Spechte im Zoo filmten, wurde ich Ohrenzeuge, wie Eltern ihren Kindern erklärten, dass die Vögel kein Kopfweh bekommen, weil ihr Schädel ähnlich gebaut sei wie ein Motorradhelm", sagt er: "Dieser Mythos ist nun widerlegt."

Der Buntspecht ist etwa 23 Zentimeter groß, seine Flügelspannweite beträgt um die 35 Zentimeter. Aus evolutionärer Sicht könnten die Ergebnisse erklären, warum er klein geblieben ist. Ein größerer Specht könnte sich zwar kräftiger ins Holz hineinhacken und mehr Leckerbissen herausholen, doch Gehirnerschütterungen würden ihm dann wahrscheinlich Probleme bereiten.

Die Ergebnisse könnten auch praktische Auswirkungen für Motorradfahrer und die dahinterstehende Industrie, die bisher die Anatomie des Schädelskeletts des Spechts als Vorlage für die Entwicklung von stoßdämpfenden Materialien und Helmen genutzt hat. Wenn aber die gesamte Anatomie von Woody Woodpecker die Stoßdämpfung minimiert, müssen Designs möglicherweise neu gemacht werden. Van Wassenbergh weist darauf hin, dass eine frühere Studie seines Teams gezeigt habe, dass die Schnäbel von Spechten oft stecken bleiben, die Vögel sich aber schnell befreien, indem sie abwechselnd die obere und die untere Hälfte ihres Schnabels bewegen. Die Forscher untersuchen nun, wie die Schnabelform für das Picken angepasst ist.