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Es geht darum, einen nachhaltigen, integrativen globalen Aufschwung zu schaffen.
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Die Covid-19-Pandemie hat die Ungleichheiten in und zwischen den Ländern verschärft. Die jüngsten Rekordhitzewellen erinnern uns daran, dass wir die Klimakrise angehen müssen, bevor es zu spät ist. Außerdem bietet die Digitalisierung neue Möglichkeiten für die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen und wirft gleichzeitig neue Fragen bezüglich ihrer Risiken und Regulierung auf. In diesem Kontext ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir neu bewerten, wo Handel und Investitionen hilfreich waren - und wo sie hinderlich waren. Wir müssen zu den Grundlagen zurückkehren: Wozu dient Handel? Und wie kann er zu besseren Ergebnissen für die Menschen und den Planeten führen?
Handelsbeziehungen waren schon immer ein Mittel zum Zweck. Aber dieser Zweck hat sich im vergangenen Jahrhundert verändert, da sich die globale Einstellung zum Handel und zu dem, was er leisten muss, gewandelt hat. In den 1940ern wurde im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen das Wachstum als Hauptziel der internationalen Handelsbeziehungen verankert, womit Vollbeschäftigung und ein steigender Lebensstandard einhergehen sollten. Mit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) 1995 wurde vom Handelssystem auch erwartet, sich mit nachhaltiger Entwicklung zu befassen und sicherzustellen, dass Entwicklungsländer einen Anteil am Handelswachstum erhalten.
Heute muss das Handelssystem erneut angepasst werden, um zusätzliche Belange der globalen Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Inklusivität zu berücksichtigen. In der Erklärung der G20-Staats- und Regierungschefs wurden zentrale Aspekte des Covid-19-Aufschwungs dargelegt, nämlich Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen, Gesundheit, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Inklusion. Dem Handel fällt bei der Verwirklichung jeder dieser Dimensionen eine wichtige Rolle zu.
Für Ausweitung des Handels, aber gegen Globalisierung
Laut der jüngsten Umfrage von Ipsos und dem World Economic Forum befürworten 75 Prozent der Weltöffentlichkeit eine Ausweitung des Handels, aber nur die Hälfte ist der Meinung, dass die Globalisierung gut für ihr Land ist - ein Rückgang um 10 Prozentpunkte seit 2019. Diese Zweideutigkeit zeigt, dass der Glaube an das Potenzial des Handels zur Verbesserung der Lebensbedingungen vorhanden ist, aber auch ein tiefes Unbehagen über die derzeitige Ausrichtung des Handels herrscht. Es bedarf der Zusammenarbeit, um einen Wettlauf nach unten oder schädliche Schocks zu verhindern und gleichzeitig die Vorteile des Handels zu nutzen. Wie können die Staats- und Regierungschefs der Welt also sicherstellen, dass die Handelspolitik ihr Potenzial für das Wirtschaftswachstum, die Armutsbekämpfung und die Befähigung der Menschen weltweit ausschöpft?
Erstens hat Covid-19 deutlich gemacht, dass der Handel für die Vorbereitung und Reaktion auf Gesundheitskrisen entscheidend ist. Handel und Investitionen sind für die Forschung, Entwicklung, Herstellung und Verteilung von persönlicher Schutzausrüstung, Diagnostika, Impfstoffen und Therapeutika von zentraler Bedeutung. Die Regierungen sollten in Erwägung ziehen, Zoll- und Verwaltungsschranken zu senken, Investitionen zu erleichtern, die Transparenz der Lieferketten zu verbessern und von Ausfuhrbeschränkungen abzusehen.
Zweitens hat die Digitalisierung zu bedeutenden Vorteilen für das Leben der Menschen geführt. Der digitale Handel mit Dienstleistungen und der elektronische Geschäftsverkehr hielten große Teile der Volkswirtschaften am Laufen, als es zu Engpässen kam. Die Schaffung und Investition in ein zugängliches und funktionsfähiges globales digitales Ökosystem ist eine entscheidende Komponente für den Aufschwung und die zukünftige wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit.
Drittens wird die Verringerung der Komplexität des internationalen Handels mehr Möglichkeiten für kleine Unternehmen bieten, Innovationen zu verbreiten und die Beschäftigung anzukurbeln, wodurch der Rückgang ausländischer Investitionen, der die Entwicklungsgewinne gefährdet, eingedämmt wird. Die Regierungen müssen auf schlankere, transparente und berechenbare Investitionsverfahren hinarbeiten und den Entwicklungsländern technische Hilfe und Unterstützung bieten, um ihnen den Zugang zum internationalen Handel zu erleichtern.
Viertens hängen eine umweltfreundlichere globale Produktion und ein ökologischerer Konsum von politischen Maßnahmen ab, die Umweltinnovationen fördern und Schuldzuweisungen als Entschuldigung für Untätigkeit entkräften. Die Länder sollten den Abbau von Hemmnissen und die Förderung des Handels mit Gütern und Dienstleistungen, die die Ziele der nachhaltigen Entwicklung unterstützen, in Betracht ziehen. Gleichzeitig sollten sie die Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen lassen, die Maßnahmen zur Bekämpfung der CO2Emissionen angleichen und grüne Investitionen erleichtern.
Fünftens müssen die Vorteile des Handels auch jenen zugutekommen, die zu lange ausgeklammert wurden, darunter wirtschaftlich Benachteiligte, Frauen, Jugendliche, ethnische und religiöse Minderheiten und indigene Völker. Die Interessen benachteiligter Gruppen sind bei der Ausarbeitung, Umsetzung und Überwachung von Handelsregeln sowie bei innenpolitischen Maßnahmen zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Arbeits-, Eigentums-, Vertrags- und andere Gesetze, die ihre Möglichkeiten zur Teilnahme am Handel beeinträchtigen könnten.
Eine Handelspolitik fördern,die niemanden zurücklässt
Einige weltweit führende Politiker und Unternehmen signalisieren bereits ein Umdenken. So hat beispielsweise die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai die arbeitnehmerorientierte Handelsagenda der Regierung von Präsident Joe Biden hervorgehoben und argumentiert, dass die Handelspolitik ihre Auswirkungen auf Arbeitnehmer, Frauen und die Umwelt berücksichtigen muss. Eine wachsende Zahl von Ländern schützt die Rechte indigener Völker und nimmt geschlechtsspezifische Bestimmungen in ihre Handelsabkommen auf. Die Unternehmen gehen ehrgeizige Verpflichtungen in Bezug auf den Klimaschutz, die wirtschaftliche Stärkung von Frauen und die soziale Gleichstellung ein.
Mehr als 20 führende Vertreter einiger der weltweit größten Unternehmen haben sich einem Multi-Stakeholder-Aufruf an die Regierungen angeschlossen, von Protektionismus abzusehen und eine Handelspolitik zu fördern, die effizient und transparent ist und niemanden zurücklässt. Das lange verschobene Ministertreffen der WTO im Dezember bietet die Gelegenheit, die Rolle des Handels in der heutigen Welt neu zu bewerten und sinnvolle Reformen durchzuführen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Meinungsverschiedenheiten uns lähmen oder dazu führen, dass wir uns vom Potenzial des Fortschritts zurückziehen. Gemeinsam können wir die Weichen für einen nachhaltigen, integrativen Handel von morgen stellen.