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Der Handel schrumpft: Wiener Börse setzt Hilferuf an Politik ab

Von Karl Leban

Wirtschaft

Plädoyer für Privatisierungen und Abschaffung der neuen Kursgewinnsteuer.


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Wien. Die Wiener Börse droht in den "Dornröschenschlaf" zu verfallen. Ein besonderes Alarmzeichen: Mit den Handelsumsätzen geht es sukzessive bergab, in den vergangenen fünf Monaten lagen sie nur noch in einer Bandbreite von jeweils drei bis vier Milliarden Euro. "Von vielen Anlegern wird die rückläufige Liquidität beklagt", so die Börse-Chefs Birgit Kuras und Michael Buhl. Das Problem dabei: Ist ein Aktienmarkt nicht liquide genug, halten sich Anleger mit Investments zurück - und wandern tendenziell ab.

"Wir brauchen mehr Unterstützung von der Politik", sagten Kuras und Buhl am Dienstag vor der Presse. Wünschenswert sei vor allem eine Gesetzgebung, die der heimischen Börse freundlich gegenüberstehe. In Österreich ortet Kuras derzeit eine "politische Dämonisierung des Kapitalmarkts". "Wenn wichtige Meinungsbildner die Börse als Tummelplatz von Zockern sehen, den man lieber nicht angreift und nur noch stärker regulieren muss, hat das Folgewirkungen", betont die Ex-Raiffeisenbankerin, die als Nachfolgerin von Heinrich Schaller seit 1. März in der Chefetage der Börse sitzt.

Finanztransaktionssteuer "wäre Todesstoß für Börse"

Ein Alleingang Österreichs bei der Einführung einer Finanztransaktionssteuer etwa wäre für Kuras "die pure Katastrophe". Genauso schädlich wäre es, würde die Politik alternativ eine Börsenumsatzsteuer (nach dem Vorbild der britischen "Stamp Duty") ins Leben rufen. Buhl: "Solche Schritte wären der Todesstoß für die Wiener Börse." Sie würden eine weitere Verlagerung des Geschäfts hin zu konkurrierenden außerbörslichen Handelsplätzen bewirken. Deren Anteil am österreichischen Aktienhandel liege schon jetzt bei 20 bis 25 Prozent, so Buhl.

Daneben warnt die Wiener Börse auch davor, die staatliche Förderung der Zukunftsvorsorge zur Gänze zu streichen und neue Vermögenssteuern einzuführen (weil es für Veranlagungen dann weniger Geld gäbe).

Ebenfalls ein Anliegen von Kuras und Buhl, das an die Regierung adressiert ist: Die neue, 25-prozentige Kursgewinnsteuer bei Wertpapieren sollte wieder abgeschafft werden. Auch der Wegfall der einprozentigen Gesellschaftssteuer dürfe kein Tabu sein. Zudem müsste die Politik Eigen- und Fremdkapital bald einmal steuerlich gleich behandeln und die Mitarbeiterbeteiligung mittels höherer Freibeträge besser fördern.

Buhl: "Schon ein einzelner politischer Stimulus könnte ein Feuer am österreichischen Kapitalmarkt entzünden." Fraglich ist nur, ob die Regierung, die derzeit jeden Cent braucht, um Löcher im Budget zu stopfen, dabei mitspielt.

Auf die Sprünge helfen könnten der Börse auch Privatisierungen: "Ein politisches Bekenntnis dazu wäre ein Zauberwort", meint Kuras mit Hinweis auf das in Expertenkreisen auf bis zu 25 Milliarden Euro geschätzte Potenzial. Ihr Wunsch kommt nicht von ungefähr. Mit Ausnahme des Aluminium-Herstellers Amag im Frühjahr 2011 hat es in Wien bereits seit mehr als vier Jahren keinen Börsengang mehr gegeben. Kuras und Buhl hoffen jetzt zumindest auf die zweite Jahreshälfte.