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Der Handschlag im Spam-Ordner

Von Peter Griehser

Wirtschaft

Wenn E-Mail auf Visitenkarte steht, ist davon auszugehen, dass man oft abruft. | Vertragsabschluss bei Eingang der Willenserklärung - auch am falschen Ort. | Wien. In Zeiten neuer Medien stellt sich die Frage, ob Verträge durch Anbot und Annahme per E-Mail zustande gekommen sind. Probleme können vor allem dann auftreten, wenn sich Erklärungen im Spam-Ordner des jeweiligen Empfängers wiederfinden.


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Nach den elementaren Grundsätzen des Privatrechts müssen Erklärungen dem Empfänger zugehen, um rechtliche Wirkungen zu entfalten. Zugang tritt jedenfalls bei Kenntnisnahme der Erklärung ein, oder bereits, wenn unter normalen Umständen mit ihrer Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Daraus folgt, dass bei Kommunikation per E-Mail der Zugang somit im Allgemeinen dann eintritt, wenn die Erklärung für den Empfänger auf seiner Mailbox verfügbar ist.

In weiterer Folge stellt sich die Frage, inwieweit die Mailbox dem Herrschaftsbereich des Empfängers angehört. In diesem Zusammenhang ist vor allem darauf abzustellen, ob der Empfänger die E-Mail-Adresse rein beruflich, privat, oft oder selten nutzt. Es muss als ausreichend angesehen werden, wenn der Betreffende einen entsprechenden Vertrauenstatbestand, also ein Verhalten setzt, aus dem objektiv geschlossen werden kann, dass mit der Kenntnisnahme elektronisch erhaltener Post gerechnet werden kann. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn der Betreffende auf seinem (verwendeten) Briefpapier oder auf seiner (übergebenen) Visitenkarte eine E-Mail-Adresse anführt oder selbst per E-Mail an jemanden herantritt. Ruft daher der Empfänger seine Mailbox nicht regelmäßig ab oder verwendet er diese nur sporadisch, kann dies nicht zu Lasten seines potenziellen Vertragspartners gehen.

E-Mail fungiert wie ein traditioneller Briefkasten

Aus den Überlegungen ergibt sich, dass ein elektronischer Briefkasten grundsätzlich einem Postbriefkasten gleichgestellt ist.

Es muss hier jedoch in Betracht gezogen werden, dass ein elektronischer Briefkasten aus mehreren "Unterbriefkästen", wie Posteingang, Postausgang, Gesendete Objekte und Spam-Ordner besteht.

Des Weiteren treffen jeden Empfänger gewisse Obliegenheiten zur Vorsorge, dass ihm ihn betreffende Erklärungen zugehen können, und zwar umso mehr, je eher er mit der Möglichkeit des Einlangens solcher Erklärungen rechnen muss. Ein Unternehmer wird danach stets Empfangsvorkehrungen zu treffen haben.

Prinzipiell kommt ein Vertrag mit Einlangen der Annahmeerklärung im Computersystem des Offerierenden zustande. Probleme ergeben sich jedoch dann, wenn die Annahme-E-Mail entweder in den Spam-Ordner zugestellt wird oder von dem installierten Spam- und Virenprogramm überhaupt gelöscht und niemals zugestellt wird.

In letzterem Fall wird davon auszugehen sein, dass ein gültiger Vertrag aufgrund der Tatsache, dass eine E-Mail zu keinem Zeitpunkt das Computersystem des Vertragspartners erreicht hat, nicht zustande gekommen ist. Dasselbe muss wohl auch dann gelten, wenn übermittelte Daten verstümmelt bzw. nicht vollständig beim Empfänger einlangen. Nach den allgemeinen Regeln des Bürggerlichen Gesetzbuchs (ABGB) reist eine Willenserklärung auf Risiko des Erklärenden. Er muss die Erklärung so gelten lassen, wie sie in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist.

Für den Fall des Zugangs der E-Mail in den Spam-Ordner des Empfängers ist festzuhalten, dass die Mail dem Empfänger, sofern dieser den Eindruck vermittelt hat, diese E-Mail-Adresse regelmäßig zu nutzen (sei es durch Visitenkarten, seine Unternehmereigenschaft oder Ähnliches), zugegangen ist. Der Empfänger ist somit jedenfalls verpflichtet, Spam-Ordner regelmäßig auf "verirrte" E-Mails hin zu überprüfen. Nichtsdestotrotz obliegt die Beweislast des Zugangs weiterhin dem Erklärenden.

Beweislast über Zugang liegt beim Absender

Die Zurechnung und Behandlung von Willenserklärungen per Computer muss wie eine herkömmliche Willenserklärung erfolgen. Der Zugang tritt daher auch bei elektronischen Willenserklärungen per E-Mail ein, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangen. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Erklärung für den Empfänger auf seiner Mailbox, welche jedenfalls auch den Spam-Ordner mitumfasst, verfügbar ist. Die Mailbox des Empfängers ist seinem Machtbereich zuzurechnen, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist. Die Beweislast des Zugangs trifft jedoch nach wie vor den Absender. Es erscheint daher unumgänglich, beim Empfänger auf eine Antwort - etwa durch ein einfaches "OK" oder "Zur Kenntnis genommen" - zu bestehen.

Der Autor Peter Griehser ist als Anwalt bei der Rechtsanwaltskanzlei Likar GmbH tätig. Den ungekürzten Beitrag finden Sie im Heft 16 von "Zivilrecht Aktuell" aus dem LexisNexis-Verlag.