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Der harte Alltag hat Merkel wieder

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Europaarchiv

Union zieht SPD in öffentlicher Gunst davon. | Gunst davon. +++ Kontroverse Themen stehen an.


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Berlin. Die schönen Tage in Heiligendamm sind für Angela Merkel nun zu Ende. Kaum von der internationalen Bühne des G-8-Gipfels in die Niederungen der Innenpolitik herabgestiegen, wurde die deutsche Bundeskanzlerin vom kakophonen Chor ihrer Granden empfangen, die laut über die Lebenserwartung von Schwarz-Rot zu räsonieren begonnen haben.

SPD-Vorsitzender Kurt Beck zieh den Partner wieder einmal des "Neoliberalismus"; der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder fand daraufhin, es handle sich nur um nervöse Zuckungen. In der öffentlichen Gunst nämlich zieht laut neuestem Politbarometer die Union mit 43 zu 31 Prozent der SPD davon.

Während SPD-Linke nun mit Koalitionsbruch drohen, überdenken Unionspolitiker die Farbkombination schwarz-gelb-grün. Und auch wenn Peter Struck (SPD), Jürgen Rüttgers (CDU) und andere die Zündeleien rasch wieder austreten, gibt es doch harte Brocken, an denen sich die Regierungsparteien ihre Zähne stumpf gemahlen haben.

Schon heute, Donnerstag, könnte es im Bundestag zu einer kontroversen Abstimmung über das Aufenthaltsrecht von Ausländern kommen. Ein dauerhaftes Bleiberecht soll nur noch kriegen, wer einen festen Arbeitsplatz hat. Ausnahmen - etwa für Alte und Kranke - soll es nicht geben; die werden nur "geduldet".

Mindestlohn umstritten

Vier Tage darauf steht der gesetzliche Mindestlohn auf dem Tapet des Koalitionsausschusses. Zwar ist die Union der SPD einen Schritt entgegen gekommen - in Form eines Lohnzuschusses für Kleinstverdiener -, aber über die Latte eines flächendeckenden Mindestlohnes ist sie nicht zu springen bereit. SPD-Vizekanzler Franz Müntefering sagte: "Zurzeit beziehen 600.000 Vollzeit arbeitende Menschen zusätzlich Arbeitslosengeld, weil ihr Lohn nicht für den Lebensunterhalt ausreicht." Er kündigte an, das Thema in die Wahlkämpfe zu ziehen. Rüttgers konterte, die Politik habe sich aus der Lohnfindung herauszuhalten. Die Höhe von Gehältern solle etwa von der Produktivität des Betriebes abhängen.

Heftig gestritten wird auch über die so genannte Pflegereform. Die seit zwölf Jahren eingefrorenen Leistungen aus der Pflegeversicherung sollen dynamisiert werden. SPD und Union sind einig im Ziel, doch uneins in der Finanzierung.

Auch bei der Unternehmenssteuerreform und der Reform der Erbschaftssteuern knirscht es. Was für Rot "Geschenke an Unternehmer" sind, ist für Schwarz ein "Beitrag zu mehr Beschäftigung". Christdemokraten wollten Erbschafts- und Gewerbesteuer abschaffen, Sozialdemokraten "die reichen Erben" stärker zur Kasse bitten. Zumindest bei der Erbschaftssteuer hat man sich auf "Aufkommensneutralität" verständigt; den deutschen Erben bleibt in summa so viel wie bisher. Nur die Fortführung von Betrieben soll im Interesse des Arbeitsplatzerhalts begünstigt werden.

Krippen und Klima

Die Finanzierung der Kinderkrippen - samt der Abgeltung für Eltern, die ihre Kinder daheim erziehen -, das Sicherheitspaket von Innenminister Wolfgang Schäuble, die Umsetzung der klimapolitischen Ziele, der Kampf gegen die Entleerung des Ostens: All das sind Themen, die noch durch die Koalitionsmühlen müssen.

Es wird nun entscheidend von der SPD abhängen, die sich in der Zwickmühle zwischen Union und Linkspartei unwohl fühlt, ob und wie es weitergeht. Zwar bieten sich derzeit keine ernsthaften Alternativen an; doch im Oktober ist "Halbzeit" - und ab da wird in den Hexenküchen der Parteien der nächste Wahlkampftrunk gebraut.