)
Überbuchungen laut AK der häufigste Beschwerdegrund. | Der Teufel steckt oft im Vertragsdetail.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Ungeziefer im Bad, schlechtes Essen, Baustellenlärm, kein Hotelzimmer - immer häufiger enden Urlaubsreisen mit Prozessen um Reisepreisminderung oder Schadenersatz. Allein die Arbeiterkammer (AK) berichtet von mehr als 1000 Fällen pro Jahr, bei denen geschädigte Konsumenten auf ihr Recht pochen.
Bis jetzt haben sich die heimischen Richter vor allem an der "Frankfurter Liste" orientiert, einer Zusammenfassung zahlreicher einschlägiger Fälle zum Thema Urlaub, die auch gewisse Prozentsätze für bestimmte Mängel vorsieht. Der Wiener Rechtsanwalt Eike Lindinger und Rechtsanwaltsanwärterin Andrea Scheibenpflug haben nun eine "Wiener Liste" mit ausgewählten Fallbeispielen aus der heimischen Rechtsprechung veröffentlicht.
"Bei der Bewertung der jeweiligen Preisminderung muss man von Fall zu Fall unterscheiden, wie viel vorher versprochen und nachher nicht eingehalten wurde", erläutert Lindinger gegenüber der "Wiener Zeitung". So wurden einem Kläger, dessen Hotel eine einzige Baustelle war, 60 Prozent der Aufenthaltskosten zugesprochen, ein anderer erhielt in der gleichen Situation nur 10 Prozent.
Höhere Gewalt?
In den gravierendsten Fällen, die der Anwalt gefunden hat, ging es um maximal 60 Prozent Preisminderung. "100 Prozent Refundierung gab es nur in Form von Schmerzengeld, aber nicht aus der Gewährleistung, weil das Hotel nicht dem Prospekt entsprach."
Ansonsten zählen Überbuchungen bei Flügen und Hotels zu den häufigsten Gründen, weshalb Touristen mit den Veranstaltern in Streit geraten. Das Handelsgericht Wien urteilte in einem Umbuchungsfall auf 25 Prozent Preisminderung - und stellte zugleich fest, dass "das Erstgericht sich nicht sklavisch an die Prozentsätze der Frankfurter Tabelle zu halten" habe.
"Gerade bei Flugverspätungen und -zusammenlegungen hat man insgesamt wenig Handhabe", meint AK-Konsumentenschützerin Renate Schiller. Fluglinien sprechen gerne von "höherer Gewalt", wenn plötzlich der Flug gestrichen wurde. Und einem Hotelbesitzer muss man erst einmal nachweisen, dass das Zimmer tatsächlich schmutzig war. Entsprechende Fotos sind dann meist die einzigen Waffen der Kunden.
Manchmal nützt auch der stichhaltigste Beweis nichts - dann nämlich, wenn es um Missstände geht, die sozusagen Usus sind. So verweigerte das Bezirksgericht für Handelssachen Wien jegliche Entschädigung für besetzte Sonnenplätze: "Der tägliche Kampf um Liegestuhl und Sonnenschirm" gehöre "bereits mehr oder weniger zum Pflichtprogramm eines Pauschalurlaubes", so die Begründung.
Und zuweilen kann der Reiseveranstalter wirklich nichts dafür, wenn der Urlaub zum Alptraum wird. Lindinger verweist dabei auf einen Wirbelsturm, der eine Südseeinsel komplett lahmgelegt hatte: "In diesem Fall gab es nur 17 Prozent Preisminderung, weil es höhere Gewalt war und immerhin Flug, Verpflegung und ein Mindestmaß an Unterhaltung konsumiert werden konnten."
Das Kleingedruckte
Hin und wieder kommt es auf das Kleingedruckte an. Vor allem Maturanten fallen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) immer öfter auf den Kopf, weiß Schiller: "Meistens werden nicht die gesamten AGB gelesen." Was manche Veranstalter schamlos ausnutzen - etwa indem sie überzogene Stornogebühren einbauen. Schiller erinnert sich an einen Fall, in dem bei rund 800 Euro Gesamtkosten 180 Euro Storno verlangt wurden, "was eindeutig zu viel war".
Immer öfter melden sich bei den AK-Beratern auch Urlauber, die Ärger mit ihrer Versicherung haben. "Die Leute zahlen bei einer Hotelumbuchung zuerst am Urlaubsort einen Aufpreis für die Umquartierung", sagt Schiller. Nach der Rückkehr beginnt dann der Streit um die Refundierung. Rechtsanwalt Lindinger dazu: "Das Risiko der Umbuchung kann eigentlich nicht versichert werden. Viele versuchen es dann aber trotzdem einzuklagen - meistens mit wesentlich höheren Forderungen."
"Reiserechtsprozess", Lindinger/Scheibenpflug, Verlag Manz 2006, 272 S., spiralisiert, 38 Euro