Die Rückkehr zur Normalität könnte schwieriger werden als der Einstieg in die Quarantäne.
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Zwei Wochen im zivil-friedlichen Ausnahmezustand (den kategorischen Unterschied zum militärisch-kriegerischen sollten wir stets mitbedenken) sind geschafft, mindestens zwei weitere stehen uns noch bevor. Und schon mehren sich die Anzeichen, dass es möglicherweise die leichtere politische Übung war, den Ausnahmezustand zu verfügen, als die Rückkehr in die Normalität zu beginnen.
Die Sorge, ja die nackte Angst vor einem Massensterben, wie wir es in Italien mit Entsetzen verfolgen, hat alle möglichen Einwände vom Tisch gewischt; "Gesundheit first", lautete - was auch sonst? - das Motto für alle Beteiligten. Es gilt auch weiter, zumal der Höhepunkt der Infektionswelle noch nicht erreicht ist. Allerdings rückt nun der Zielkonflikt mit dem ökonomischen Fundament unseres Zusammenlebens zunehmend in den Fokus: Wie kann ein völliger Stillstand des Wirtschaftslebens verhindert, wie ein Neustart des Wirtschaftslebens initiiert werden, ohne die Gesundheit der Bürger zu gefährden? Auf diese Frage muss die Regierung in den nächsten beiden Wochen Antworten finden.
Die Maßnahmenkette zum Stillstand beruhte darauf, möglichst alle gleich zu behandeln - möglichst alle sollen möglichst ständig zuhause bleiben - unabhängig von ihrer Gefährdung durch die Pandemie. Genau betrachtet war das zwar nicht der Fall, doch künftig muss die Differenzierung wohl noch stärker ausfallen.
Die - konjunkturell enorm wichtige - Bauwirtschaft hat bereits seit Freitag einen Plan, wie die Baustellen schrittweise wieder in Angriff genommen werden können. Andere Bereiche und Branchen werden jetzt mit Sicherheit über ähnliche Wege nachdenken.
Das Ziel eines langsamen Wiederhochfahrens der Volkswirtschaft wird unweigerlich die Frage aufwerfen, wie die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen - Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen - weiterhin den bestmöglichen Schutz erhalten.
Es ist politisch bei weitem einfacher, harte Regeln für alle gleichermaßen zu erlassen, als nur Risikogruppen mit besonderen Auflagen zu isolieren. In Europa, und im deutschsprachigen Raum ganz besonders, führt dies zu unguten Assoziationen.
Der Einsatz von Big Data könnte solche Maßnahmen nicht nur ergänzen, sondern sie sogar - teilweise jedenfalls - ersetzen. Aber auch hier setzen in Österreich sofort weitgehende Abwehrreflexe ein, die in der Angst vor einer flächendeckenden Überwachung des Einzelnen durch den Staat ihren Grund haben. Nicht wirklich zu Unrecht.
Für die Regierung - und uns! - wird die Rückkehr in die Normalität eine heikle Gratwanderung.