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Der Offizier, Maler und Philatelist Ludwig Hesshaimer (1872–1956) arbeitete während des Ersten Weltkriegs für das k.u.k. Kriegspressequartier und fertigte hunderte Zeichnungen vom Leben an der Front und in der Etappe an.
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Eigentlich hatte er dem Thronfolger nur eine Mappe mit bosnischen Radierungen übergeben wollen. Deshalb war der k.u.k. Hauptmann Ludwig Hesshaimer am 28. Juni 1914 zum Appel-Kai in Sarajevo gekommen. Nun stand er da – vor dem Konak der Stadt, nachdem er zuvor noch geholfen hatte, die leblosen Körper Franz Ferdinands und seiner Gattin Sophie aus dem Auto zu heben, die mit Blut beklebte Zeichenmappe unter den Arm geklemmt. Plötzlich war alles anders. Das Attentat war für den 1872 in Kronstadt in Siebenbürgen geborenen Offizier und Lehrer zweifellos ein einschneidendes Ereignis – und gleichzeitig der Beginn einer, wenn auch leidvollen Karriere als Kriegsmaler in des Kaisers Rock.
Nur wenige Künstler haben dem Weltkrieg, der nach den Schüssen von Sarajevo vom Zaun gebrochen wurde, ein vergleichbares Gesicht gegeben. Was nun die Kunst betraf, übte sich der Vater zweier Töchter, die mit ihrer Mutter in Wien und am Semmering lebten, in Bescheidenheit. "Ich bin nur ein Maler gewesen, der mit seinen Skizzenbüchern über die Schlachtfelder zog", schrieb er. "Unersättlich tranken meine Augen die tausendfachen Bilder, die sich bei jedem Schritt änderten. Was in meine Skizzenhefte kam […], ist der Niederschlag von meinen persönlichen Erlebnissen: ein charakteristisches Bild dieser Zeit und dieser Menschen, zu denen ich gehörte." Es waren schöne und grausame Bilder, die sich in seiner Erinnerung festsetzen sollten und bis heute Dokumente unschätzbaren Werts geblieben sind.
Sein Handwerk gelernt hatte Hesshaimer an der Wiener Akademie sowie an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt unter Ludwig Michalek, im Februar 1915 wurde er als Kriegsmaler zum Kriegspressequartier (KPQ) einberufen. Die Aufgabe des Künstlers bestand darin, wie es die Vorschrift des Armeeoberkommandos vorgab, "die Leistungen der Wehrmacht in das rechte Licht zu rücken" und damit "die nachträgliche Verherrlichung kriegerischer Großtaten durch die Kunst" zu gewährleisten. Allein, Hesshaimer konnte es gar nicht erwarten, endlich das Geschehen an der Front mit dem Bleistift festzuhalten. "Ich packte und fuhr los, so froh und glücklich, als ginge es zu einem Fest", notierte er in seinem Tagebuch. Und an anderer Stelle gesteht er, er wäre "am liebsten gleich bis in die vordersten Schützengraben gelaufen".
"Mein erstes wirkliches Kriegsblatt"
Allerdings musste sich der Maler zunächst noch gedulden. An seinem ersten Bestimmungsort in Ungarn angekommen, zeichnete er, "was in Reichweite war. Meine ersten Blätter zeigten Kriegsgefangenentypen, Zeltlager, Munitionswerkstätten und Schneelandschaften. Es war ein eisiger Winter, und das Arbeiten in der Kälte war schwer." Als Hesshaimer später in Galizien dann doch in die vorderen Schützengräben klettern durfte, erregte er bei den dort liegenden Offizieren, darunter der spätere polnische Diktator Jozef Pilsudski, große Verwunderung. Die Mission erwies sich für den Siebenbürger dennoch als Erfolg. "Dort zeichnete ich die gesamte feindliche Stellung als langgestrecktes Panoramablatt, mein erstes wirkliches Kriegsblatt."

Leicht war es freilich nicht, das Zeichnen im Felde. Neben der Kälte und der endlosen Suche nach würdigen Motiven ("Ich konnte also bloß die gute alte Erde zeichnen, durch die sich zwei einander gegenüberliegende schwarze Linien zogen") machte dem Maler vor allem das feindliche Maschinengewehrfeuer zu schaffen, wobei er oft nur mit Glück einem "Volltreffer" entkam. Dazu Hesshaimer: "Obwohl ich mich im Gras und Strauchwerk eine Zeitlang so halbwegs verbergen konnte, wurde ich von drüben entdeckt und mein friedliches Beginnen wurde gestört." Von seinem Tun konnte ihn das zunächst nicht abbringen. "Zuerst pfiff es nur über meinen Kopf hinweg – das beschleunigte mein Arbeitstempo. Als aber das ekelhafte Ausschlagen in meiner nächsten Nähe war, kroch ich wieder in unseren Graben zurück. Aber meine Skizze hatte ich!"
Aber auch abseits des Schützengrabens fand der Kriegsmaler laufend interessante Motive, die seine herausragende Beobachtungsgabe und Detailverliebtheit herausforderten. Als besonders beispielhaft gelten etwa jene Zeichnungen, die er vom Škoda-Mörser 30,5 angefertigt hat. Er war von der Artilleriewaffe so angetan, dass er sie sogar einmal als "schön" bezeichnete. "Der Mörser war harmonisch in seinen Abmessungen, so ausbalanciert in seinem Querschnitt, fast zierlich in seiner Wucht und Größe", schrieb er. "Seine Farbe war dunkel, bis auf einige matt glänzende Messingteile und die spiegelblanke Innenfläche des Rohres. Ich habe ihn sechsmal im Ablauf des Krieges gezeichnet." Tatsächlich war der Mörser nicht die einzige Waffe, die die Aufmerksamkeit des Künstlers anzog. Erwähnenswert, weil kurios, erscheinen in diesem Zusammenhang Hesshaimers Beobachtungen, die er 1916 im mazedonischen Bitola gemacht hatte. Weil die Balkanfront unter den anhaltenden Flugzeugangriffen der Entente-Truppen zu leiden hatte, waren die hier stationierten Gebirgsgeschütze prompt zu Fliegerabwehrkanonen umfunktioniert worden – ein gefundenes Motiv für den Kriegsmaler, der sich über diese "Verwendung" belustigt zeigte: "Der Anblick war grotesk. Das Geschütz sah – um mich wienerisch auszudrücken – total zerspragelt aus."
Lob von der Generalität
Welchen Stellenwert hatte man nun als Kriegsmaler in der k.u.k. Armee? Was mit Blick auf das Wirken Hesshaimers gesagt werden kann, ist, dass der Hauptmann aus Siebenbürgen mit seinen Zeichnungen nicht nur bei seinen Vorgesetzten und Malerkollegen, sondern auch bei höchsten Stellen Anerkennung erntete. Vom österreichisch-ungarischen Thronfolger, Karl, abwärts wurden die Arbeiten des Offiziers gewürdigt; unter anderem von den Generälen Erzherzog Karl Albrecht und August von Mackensen, die der Künstler in Tirol und Rumänien getroffen hatte, sowie vom Chef des Generalstabes, Franz Conrad von Hötzendorf. Über die Audienz bei Letzterem notierte der Künstler im Mai 1916: "Er hörte aufmerksam zu und stellte bei fast jedem Blatt Fragen. Besonderes Gefallen zeigte er für die Blätter rein militärischen Inhalts und für jene, die das Charakteristische von Land und Leuten deutlich zum Ausdruck brachten."

Nun kann man nicht behaupten, Hesshaimer habe nur Kriegshandlungen als Motive erwählt. So finden sich in seinem Nachlass, der von seiner Enkelin verwaltet wird – große Teile stehen auch im Besitz des Heeresgeschichtlichen Museums, der Nationalbibliothek sowie privater Sammler –, zahllose Darstellungen, die neben Städten und Landschaften auch den einen oder anderen vergessenen Ort zeigen, wie den jüdischen Friedhof von Miechów in Galizien zum Beispiel. Und nicht zu vergessen natürlich die Menschen. Ob frierende Kaiserjäger in Tirol, singende Soldaten in Mazedonien oder kriegsgefangene Russen in Polen. Ob wegelagernde Banditen in Albanien, arbeitende Bäuerinnen in Bessarabien oder wartende Frauen vor einem Gefängnis in Serbien. Sie alle hat Hesshaimer gezeichnet – und damit dem Krieg auch abseits der Schlachtfelder ein Gesicht gegeben. So hat er wohl auch seinen Auftrag verstanden. "Ich hielt alles fest, was ich im Krieg fand", schloss er in seinem Tagebuch. "Ich zeichnete ihn so, wie ich ihn selbst sah: das Schöne, das Gute, sogar das Heitere, das Edle und Große, das im Krieg ebenso zu finden war wie all das Furchtbare und Schmerzvolle, das Grausame und Tieftraurige."
Ende Oktober 1918 endete die Reise des mittlerweile zum Leiter der Kunstgruppe beförderten Kriegsmalers – am Rennweg in Wien, wohin ihn ein Heuwagen aus Ungarn befördert hatte. Allein der Neuanfang im republikanischen Österreich fiel Hesshaimer schwer, wobei hier die Kunst und die Philatelie, der er sich zunehmend verschrieb, Wegmarken seines Lebens blieben. Sein Wunsch, dass ein Entwurf von ihm von der Österreichischen Post als Briefmarke herausgegeben werde, sollte erst nach seinem Tod in Brasilien 1956 in Erfüllung gehen. So hat die Post AG auf Betreiben des Heeres-Briefmarken-Sammler-Vereins vor kurzem eine Zeichnung des Künstlers als Wertzeichen herausgegeben. Es zeigt – passend zur Fußball-WM im Juni – Brasiliens Jugend, wie sie am Strand von Rio dem Ball nachjagt. Eine versöhnliche Geste. In jeder Hinsicht.