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Der Hausarzt als Ambulanz

Von WZ Online

Wissen

Wien. Der Hausarzt soll wichtiger werden im österreichischen Gesundheitswesen, fordern Experten. Die Patienten könnten von ihm und mobilen Teams "wohnortnah" betreut werden. Das wäre angenehmer für die Kranken und könnte die Kassen entlasten. Allerdings müsste dafür im Gesundheitssystem einiges geändert werden.


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"Unser Finanzierungssystem ist ein Spitalfinanzierungssystem", kritisierte der Gesundheitsökonom und "Wiener Zeitung"-Kolumnist Ernest Pichlbauer am Samstag beim "Tag der Allgemeinmedizin" in Wien.

Pichlbauer bei der Veranstaltung von Österreichischer Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und Ärztekammer: "Es gibt kein System, das ohne Hausärzte funktioniert." In Österreich herrsche in der Diskussion um die Gewichtung von Spitälern und niedergelassenen Ärzten im Gesundheitssystem aber eine Begriffsverwirrung. "Wohnortnahe Versorgung" müsse nämlich immer in den "vier Wänden" des Patienten beginnen. Der Experte: "Spitalambulanzen sind immer wohnortferne, zentralisierte Versorgungseinrichtungen." Dabei sei egal, wie viele (Klein-)Krankenhäuser es gebe.

Die E-Card mit dem freien Zugang der Versicherten zu Fachärzten und Ambulanzen sieht Pichlbauer als versorgungspolitischen Rückschritt, die zu einer "atemberaubenden Verschlechterung" geführt habe. In einem System mit primärer Krankenversorgung (Primary Health Care) würde der Hausarzt als Chef eines Teams mit Pflegepersonal, Sozialarbeitern, Physiotherapeuten etc. agieren und zu den Kranken ins Haus kommen.

Hausärzte und Fachärzte müssten auch annähernd gleiche Verdienstchancen haben. Pichlbauer. "In Österreich verdienen sie 61 Prozent der Fachärzte." Hausarztsysteme könnten aber vor allem Patienten mit chronischen Erkrankungen besser betreuen, Kosten und Überweisungen in stationäre Einrichtungen einsparen.

Etwas skeptisch äußerte sich dazu Gottfried Endel vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Eine Einschränkung der freien Arztwahl könnte von den Versicherten als belastend empfunden werden. Und beim zuletzt von der Ärztekammer präsentierten Vertrauensarzt-Modell, bei dem auch Fachärzte - zum Beispiel Orthopäden - die Funktion eines Hausarztes ausüben könnte, müsse man fragen, ob auch sie zu Hausbesuchen bereit wären.

In Deutschland haben Hausarztmodelle vor allem in Bayern und in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des deutschen Hausärzteverbandes: "Da haben sich 3,5 Mio. Versicherte in Hausarztmodelle einschreiben lassen." Im Rahmen der geplanten Kassenfinanzierungsreform will man diese Modelle wieder zurückfahren. Das hat in Deutschland bereits zu heftigen Protesten geführt.

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