Das Gesundheitsministerium prüft schon die Ausbildung zu einem Facharzt für Allgemeinmedizin.
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Er ist die erste Anlaufstelle für Krankheitssymptome aller Art, für körperliche und seelische Beschwerden: Der Hausarzt kennt die Gesundheitsakte seiner Patienten besser als so manch anderer. Und doch ist sein Beruf offenbar nicht der angesehenste - ganz im Gegenteil: Vor allem in der Allgemeinmedizin schreibe man neben der Gynäkologie und der Kinder- und Jugendheilkunde immer mehr Kassenstellen erfolglos aus, sagt der Präsident der Österreichischen Ärztekammer Thomas Szekeres: "Manchmal mehr als 40 Mal." Insgesamt gibt es laut Dachverband der Sozialversicherungsträger rund 8.000 Kassenstellen für Ärzte, etwa 130 seien bereits unbesetzt.
Ein Weg, die Allgemeinmedizin attraktiver zu machen, wäre, dass sie zur Facharzt-Ausbildung avanciert, wie es auch im Regierungsprogramm verankert ist. Die Vorbereitungen sind offenbar schon voll im Gange: Laut dem zuständigen Gesundheitsministerium wird bereits die Möglichkeit der Ausbildung zu einem Facharzt für Allgemeinmedizin geprüft, heißt es von diesem auf Nachfrage der "Wiener Zeitung". An der Ausbildungsordnung und deren rechtlicher Einordnung werde gearbeitet, so Szekeres. Nach dem sechsjährigen Studium soll die Ausbildung zum Allgemeinmediziner dann nicht mehr wie jetzt vier, sondern sechs Jahre lang dauern, wie es für die Facharzt-Ausbildung typisch ist.
Vor allem die Zeit der Lehrpraxis in den Ordinationen soll dadurch verlängert werden. Derzeit ist für diese nach dreieinhalb Jahren im Spital nur ein halbes Jahr vorgesehen. Vor 2018 gab es überhaupt keine verpflichtende Lehrpraxis für angehende Allgemeinmediziner, diese wurde im Zuge der vergangenen Neuerung der Ärzte-Ausbildungsordnung 2015 eingeführt.
Gesundheitsministerium setzt finanzielle Anreize
Das Heben der Ausbildung in den Rang der Fachärzte soll unter anderem eines bringen: "Ich gehe davon aus, dass der Allgemeinmediziner dann auch besser bezahlt wird", sagt Szekeres. Einem Allgemeinmediziner mit Kassenstelle bleiben laut Bernhard Salzer von der Ärztekammer Wien abzüglich der Steuern und sonstiger Kosten durchschnittlich 11 Euro pro Patient und Quartal.
Es gehe also darum, das Arbeiten im Bereich der Allgemeinmedizin und der Primärversorgung für Ärzte sowie für die anderen Gesundheitsberufe möglichst attraktiv zu gestalten, so auch das Gesundheitsministerium dazu. Dafür müsse man unterschiedliche Hebel aktivieren. So wolle man Maßnahmen zur Attraktivierung der Arbeit als Primärversorger auch im ländlichen Bereich setzen und bei der Gründung und dem Betrieb von Primärversorgungseinheiten (PVE) unterstützen - etwa in Form finanzieller Anreize: Das Gesundheitsministerium habe initiiert, dass ab 2022 Förderungen für die Gründung von PVE innerhalb des EU-Aufbaufonds zur Verfügung stehen werden, heißt es von diesem.
In den PVE arbeitet ein Team aus Allgemeinmedizinern, Fachärzten diverser Richtungen, Pflegekräften und anderen Gesundheitsberufen zu patientenfreundlichen Öffnungszeiten flexibel und intensiv zusammen. Die aktuelle Erwartung sei, dass bereits Anfang nächsten Jahres die notwendigen Voraussetzungen in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht geschaffen werden können, um bessere Rahmenbedingungen für die Gründung und den Betrieb der PVE zu haben, so das Ministerium.
Primärversorgungseinheiten hinken dem Plan hinterher
Im Moment ist es nämlich zum Beispiel so, dass eine Kassenstelle zwar geteilt werden kann, allerdings nur für zwei Allgemeinmediziner oder zwei Fachärzte desselben Sonderfachs. Mit der geteilten Stelle gehen zudem nicht mehr Planstellen einher, wodurch sich auch die Versorgungskapazitäten nicht erweitern. Für die Kassenvertragsteilung braucht es auch eine spezielle Begründung.
Die Umsetzung der PVE hinkt dem Plan massiv hinterher. Von 2015 bis 2021 sollten insgesamt 75 von diesen eröffnet werden, im Moment sind es laut dem Dachverband der Sozialversicherungsträger allerdings erst 28. Vor allem der Westen Österreichs ist diesbezüglich benachteiligt. Das Primärversorgungsgesetz wurde 2017 beschlossen, seit 2015 liefen zwei Pilotprojekte in Wien-Mariahilf und Enns.
Laut Richard Brodnig, Obmann der "Jungen Allgemeinmedizin Österreich", sind PVE für junge Allgemeinmediziner zwar attraktiv - es müsste aber stets auch die Möglichkeit der Einzelpraxis erhalten bleiben. "Einzelne Allgemeinmediziner wollen lieber eine eigene Praxis, andere schätzen das Netzwerken und die flexibleren Arbeitszeiten in der PVE", sagt er. Der Allgemeinmediziner als Facharzt wäre für die Betroffenen eine Aufwertung - den Umfragen zufolge aber weniger aufgrund einer möglichen finanziellen Anhebung, sondern vor allem deshalb, "weil die längere Ausbildung die Qualität steigern würde".
Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien sieht das ähnlich. Die "Furcht der Zahler", dass Allgemeinmediziner als Fachärzte mehr verlangen werden, sieht er weniger begründet als die Angst, dass der Preis steigen könnte, je weniger Hausärzte es aufgrund der Unattraktivität des Berufs gibt.