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Der "Heilige Geist" und die Reifeprüfung

Von Daniel Bischof

Ex-Schuldirektor wurde vom Vorwurf freigesprochen, einem Schüler widerrechtlich zur Informatik-Matura verholfen zu haben.


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Wien. Zehntausende Schüler absolvierten am Mittwochvormittag ihre Mathematik-Matura. Nicht nur sie beschäftigten sich mit der Reifeprüfung. Zur selben Zeit musste sich ein ehemaliger Schuldirektor im Wiener Straflandesgericht vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Christian Böhm) verantworten. Er soll einem Schüler widerrechtlich ermöglicht haben, zur Informatik-Matura anzutreten. Die Staatsanwaltschaft Wien hat ihn wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauchs angeklagt.

Wer den Sachverhalt verstehen will, muss die tiefsten und dunkelsten Höhlen der österreichischen Schulbürokratie erkunden. Der Schauplatz: Eine katholische Privatschule in Wien im September 2014. Der Ausgangspunkt: Der Wunsch eines Schülers der achten Schulstufe, in Informatik zu maturieren. Der junge Mann - er war auch als Schulsprecher tätig - ist in dem Fach äußerst begabt. "Ich kenne Fachstudenten, die weniger draufhaben", meinte ein Lehrer vor Gericht. Vor seinen Augen habe der Schüler ein Tool für einen Online-Umfragebogen programmiert, schilderte der Direktor. Doch es gab ein Problem.

Wer in Informatik maturieren will, muss das entsprechende Wahlpflichtfach von der sechsten bis zur achten Klasse absolvieren. Der Schüler konnte aber keinen Leistungsnachweis für die sechste Klasse erbringen, da er erst ab der siebten Klasse für das Fach angemeldet war.

Der Direktor soll es dem Schüler dann ermöglicht haben, im November 2014 eine "Nachtragsprüfung" über den fehlenden Stoff zu machen. Zusätzlich soll er dem Schüler ein neues Zeugnis für die sechste Schulstufe ausgestellt haben. In diesem fand sich nun das Fach Informatik - mit einem "Sehr gut" bewertet. Zum Zeitpunkt der Zeugnisausstellung soll die Prüfung noch gar nicht stattgefunden haben. Den Test bestand der Schüler dann jedenfalls wirklich mit einem "Sehr gut".

"Vom Tisch" haben

Zu den Tatsachen zeigte sich der Ex-Direktor im Zeugenstand geständig. Er bekannte sich aber nicht schuldig, da er nicht gewusst habe, dass es sich dabei um Amtsmissbrauch handle. "Ich bin in dem Moment davon ausgegangen, dass es eine vollkommen korrekte Vorgangsweise ist." Das neue Zeugnis habe er nur deshalb schon vor der Prüfung unterfertigt, um es vom Tisch zu haben. Es sei sowieso noch nicht gültig gewesen, da die Klassenvorständin es zu diesem Zeitpunkt noch nicht unterschrieben habe.

Bedenken hatte hingegen die Kollegin, welcher der Direktor angeordnet hatte, das neue Zeugnis auszustellen. Sie habe befürchtet, "mit einem Bein im Kriminal zu stehen." Daher habe sie vom Direktor verlangt, dass er ihr dazu eine schriftliche Weisung gebe. Dieser Aufforderung kam der Schulleiter nach, woraufhin sie das Zeugnis ausgestellt habe.

Im April 2015 habe sie dann den Stadtschulrat über die Sache informiert. Zu dieser Zeit habe auch eine Schwester der katholischen Schule schon von der Sache gewusst. Die Schwester habe gesagt, sie habe "vom Heiligen Geist" davon erfahren. Inwiefern auch eine schulinterne Intrige eine Rolle gespielt haben könnte, wird vor Gericht nicht behandelt.

Wie eine Beamtin des Stadtschulrats erklärte, war es gar nicht möglich, den Mangel durch die Prüfung zu sanieren. In der anzuwendenden Verordnung stehe "besuchter Unterricht". Der Schüler habe daher in der sechsten Schulstufe das Fach besuchen müssen, um zur Prüfung anzutreten. Wie im Laufe der Verhandlung herauskam, hat der Schüler in der sechsten Schulstufe das Fach sogar besucht. Das bestätigte sein damaliger Lehrer. Er habe Fotos, die den Schüler bei der Teilnahme an Exkursionen zeigen. Weder die Anwesenheit noch die Leistungen des Schülers sind aber irgendwo vermerkt. Warum das so ist, weiß der Junglehrer nicht.

Aufgrund des Vorfalls verlor der Angeklagte seinen Job. Seit fast 30 Jahren hatte er am betreffenden Gymnasium unterrichtet. Mittlerweile ist er an einer anderen Schule tätig. Der Stadtschulrat führt derzeit ein Disziplinarverfahren gegen ihn.

"Überkorrekt war es nicht"

Strafrechtlich ging die Sache für den Mann erfreulicher aus: Er wurde freigesprochen "Überkorrekt war es nicht, was Sie getan haben. Es ist aber nicht alles strafbar, was nicht korrekt ist. Nicht jede Verletzung einer Formvorschrift ist ein Amtsmissbrauch", sagte Richter Böhm. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig.

Trotz des Trubels hat der Schüler in Informatik maturiert. "Wie ist das gegangen?", fragte Böhm. "Blendend", so seine Lehrerin. "Nein, ich meine von der Organisation her" - "Das weiß ich nicht genau.". Sie glaube, es habe eine Genehmigung vom Stadtschulrat gegeben. Die Informatik-Prüfung bestand der Schüler - mit einem "Sehr gut".